Psychose: Thriller (German Edition)
erwiderte: »Keine Ahnung.«
Dann sah er sie – einen Schatten am Ende des Flurs, der zur Küche führte. Sie ging kurz durch den Lichtschein einer Deckenlampe und kam dann auf nackten Füßen durch das Wohnzimmer zur Haustür.
Der Mann ging zur Seite und sie nahm seinen Platz ein.
Ethan starrte sie durch die Glastür an.
Er schloss die Augen und machte sie wieder auf. Doch er stand noch immer auf dieser Veranda und sah sie, die unmöglich da sein konnte, durch die Glasscheibe an.
»Ja?«, sagte sie.
Diese Augen.
Unverkennbar.
»Kate?«
»Ja?«
»Hewson?«
»Das war mein Mädchenname.«
»Oh mein Gott.«
»Tut mir leid … Kennen wir uns?«
Ethan konnte den Blick nicht abwenden.
»Ich bin’s, Ethan«, sagte er. »Ich bin hergekommen, weil ich dich gesucht habe, Kate.«
»Ich glaube, Sie verwechseln mich mit jemand anderem.«
»Ich würde dich überall erkennen. Egal, wie alt du bist.«
Sie drehte kurz den Kopf nach hinten. »Es ist alles in Ordnung, Harold. Ich bin gleich wieder bei dir.«
Kate machte die Tür auf und trat auf die Fußmatte hinaus. Sie trug eine cremefarbene Hose und ein ausgebleichtes blaues Top.
Und einen Ehering.
Sie roch wie Kate.
Aber sie war alt.
»Was ist passiert?«, fragte Ethan.
Sie nahm seine Hand und führte ihn zu der Hollywoodschaukel am anderen Ende der Veranda.
Sie setzten sich.
Ihr Haus stand auf einer kleinen Anhöhe, von der man das Tal und die Stadt überblicken konnte. In den umliegenden Häusern brannte jetzt Licht und drei Sterne waren aufgegangen.
Eine Grille oder die Aufnahme einer Grille zirpte irgendwo in einem der Büsche.
»Kate …«
Sie legte die Hand auf sein Bein, drückte es und beugte sich näher zu ihm.
»Sie beobachten uns.«
»Wer?«
»Pst.« Sie deutete kaum merklich mit dem Finger nach oben und flüsterte: »Und sie belauschen uns.«
»Was ist mit dir passiert?«, erkundigte sich Ethan.
»Findest du mich nicht mehr attraktiv?« Dieser freche, bissige Tonfall war typisch für Kate. Sie starrte eine Minute lang in ihren Schoß und als sie wieder aufsah, glänzten ihre Augen. »Wenn ich abends vor dem Spiegel stehe und mir das Haar kämme, denke ich oft daran, wie sich deine Hände auf meinem Körper angefühlt haben. Es ist nicht mehr so wie früher.«
»Wie alt bist du, Kate?«
»Ich weiß es nicht mehr. Es ist schwer, da noch mitzukommen.«
»Ich bin vor vier Tagen auf der Suche nach dir hierhergekommen. Der Kontakt zu dir und Evans war abgebrochen und sie haben mich losgeschickt, um dich zu suchen. Evans ist tot.« Diese Feststellung schien sie nicht sehr zu treffen. »Was haben Bill und du hier gemacht?«
Sie schüttelte nur den Kopf.
»Was geht hier vor sich, Kate?«
»Ich weiß es nicht.«
»Aber du lebst hier.«
»Ja.«
»Seit wann?«
»Seit Jahren.«
»Das ist unmöglich.« Ethan stand auf, und in seinem Kopf ging alles durcheinander.
»Ich kann dir deine Fragen nicht beantworten, Ethan.«
»Ich brauche ein Telefon, einen Wagen, eine Waffe, falls du eine hast …«
»Ich kann dir nicht helfen.« Sie stand auf. »Du solltest gehen.«
»Kate …«
»Auf der Stelle.«
Er ergriff ihre Hände. »Das warst du, die mich gestern Abend gefunden hat, als ich auf der Straße bewusstlos geworden bin.« Er sah ihr ins Gesicht, musterte die Lachfältchen, die Krähenfüße und fand, dass sie noch immer wunderschön aussah. »Weißt du, was mit mir passiert?«
»Hör auf.« Sie versuchte, sich ihm zu entziehen.
»Ich stecke in Schwierigkeiten«, sagte er. »Ich weiß.«
»Sag mir, was …«
»Ethan, jetzt bringst du
mich
in Lebensgefahr. Und Harold.«
»Wer bedroht euch?«
Sie riss sich los und ging zur Tür. Als sie davorstand, drehte sie sich um, und in diesem Moment, als sie da im Licht stand, hätte sie wieder sechsunddreißig Jahre alt sein können.
»Du könntest glücklich werden, Ethan.«
»Was redest du da?«
»Du könntest hier ein unglaubliches Leben führen.«
»Kate.«
Sie drückte die Tür auf und ging hinein.
»Kate.«
»Was ist?«
»Bin ich verrückt?«
»Nein«, antwortete sie. »Das bist du nicht.«
Die Tür fiel hinter ihr zu und er hörte, wie sie den Riegel vorschob. Er ging zur Tür und starrte sein Spiegelbild an, wobei er schon fast damit rechnete, einen sechzigjährigen Mann zu erblicken, doch er sah aus wie immer.
Er hatte keinen Hunger mehr.
Seine Müdigkeit war auch verflogen.
Als er die Treppe hinunter, über den gepflasterten Weg und auf den Bürgersteig ging,
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