Psychose: Thriller (German Edition)
Leben. Komm schon. Du musst dir was anziehen.«
Theresa und Ben saßen Pilcher gegenüber.
Der Mann lächelte den Jungen an, streckte die Hand aus und sagte: »Mein Name ist David. Und du bist?«
»Ben.«
Sie gaben sich die Hand.
»Wie alt bist du, Ben?«
»Sieben.«
»Oh, sehr gut. Hat dir deine Mutter erklärt, warum ich hier bin?«
»Sie hat gesagt, Sie würden uns zu meinem Daddy bringen.«
»Das ist richtig.« Pilcher hob die winzigen Glasphiolen auf und reichte sie Theresa. »Es ist Zeit«, meinte er. »Ziehen Sie den Korken raus. Sie haben nichts zu befürchten, keiner von Ihnen. Die Wirkung setzt etwa fünfundvierzig Sekunden nach dem Trinken ein. Sie kommt plötzlich, ist aber nicht unangenehm. Geben Sie Ben die Phiole mit der geringeren Dosis und nehmen Sie dann Ihre.«
Sie zog den Korken mit den Fingernägeln raus und öffnete beide Phiolen.
Der kräftige Geruch einer fremden Chemikalie stieg ihr in die Nase.
Als sie ihn roch, wurde alles auf einmal real und riss sie aus ihrer Erstarrung, die sie die letzten Stunden beherrscht hatte.
»Warten Sie«, sagte sie.
»Was ist los?«, erkundigte sich Pilcher.
Was zum Teufel dachte sie sich dabei? Ethan würde sie umbringen. Wenn es nur um sie ging, war das schon schlimm genug, aber in welche Gefahr brachte sie ihren Sohn?
»Was ist los, Mama?«
»Wir werden das nicht tun«, erklärte sie, verschloss die Phiolen wieder und stellte sie auf den Tisch.
Pilcher starrte sie über den Tisch hinweg an. »Sind Sie sich da ganz sicher?«
»Ja. Ich … Ich … Ich kann es einfach nicht.«
»Verstehe.« Pilcher steckte die Phiolen wieder ein.
Als er aufstand, sah Theresa in Bens Augen Tränen schimmern. »Geh wieder ins Bett.«
»Aber ich möchte Daddy sehen.«
»Wir reden später darüber. Geh jetzt nach oben.« Theresa drehte sich wieder zu Pilcher um. »Es tut mir leid …«
Die Worte blieben ihr in der Kehle stecken.
Pilcher drückte sich eine durchsichtige Sauerstoffmaske vors Gesicht, deren dünner Luftschlauch unter seiner Jacke verschwand. In der anderen Hand hielt er eine kleine Spraydose.
»Nein, bitte …«, setzte sie an.
Ein feiner Nebel drang aus der Düse.
Theresa versuchte, die Luft anzuhalten, aber sie konnte den Geschmack schon auf der Zungenspitze spüren: flüssiges Metall vermischt mit etwas Süßem. Der Nebel klebte an ihrer Haut. Sie merkte, dass sie ihn durch die Poren aufnahm. Er war in ihrem Mund, viel kälter als die Zimmertemperatur, glitt ihr wie flüssiger Stickstoff die Luftröhre hinunter.
Sie legte die Arme um Ben und versuchte, stehen zu bleiben, aber auf einmal hatte sie keine Beine mehr.
Die Spülmaschine war stehen geblieben und außer dem Regen, der auf das Dach prasselte, war im Haus kein Geräusch zu hören.
»Sie werden einen weitaus wichtigeren Zweck erfüllen, als Sie es sich überhaupt vorstellen können«, sagte Pilcher.
Theresa wollte ihn fragen, was er damit meinte, aber ihr Mund schien sich nicht bewegen zu wollen.
Sämtliche Farben um sie herum verblassten, alles schien sich in verschiedene Grauschattierungen aufzulösen und ihre Augenlider wurden immer schwerer.
Bens Körper war bereits erschlafft, sein Oberkörper lag auf ihrem Schoß und sie sah zu Pilcher hinauf, der sie jetzt durch die Sauerstoffmaske anstarrte und langsam zusammen mit allem anderen in der Dunkelheit verschwand.
Pilcher zog ein Walkie-Talkie aus der Manteltasche und sprach hinein.
»Arnold, Pam, ich bin jetzt bereit für euch.«
KAPITEL 7
»Sie müssen sich entspannen, Ethan. Hören Sie mich? Hören Sie auf, sich zu wehren.«
Durch den Nebel hindurch erkannte Ethan die Stimme des Psychiaters.
Mit Mühe bekam er die Augen auf, um erst nur schmale helle Schlitze zu sehen.
Jenkins sah durch seine Brille auf ihn herab und Ethan versuchte noch einmal, seine Arme zu bewegen, aber sie waren entweder gebrochen oder festgebunden.
»Ihre Hände sind mit Handschellen ans Bettgeländer gefesselt«, erklärte Jenkins. »Anordnung des Sheriffs. Sie müssen keine Angst haben, aber Sie hatten einen schweren dissoziativen Anfall.«
Ethan machte den Mund auf und merkte, dass seine Zunge und seine Lippen so trocken waren, als wären sie in der Wüste versengt worden.
»Was hat das zu bedeuten?«, wollte er wissen.
»Es bedeutet, dass Sie Ihr Gedächtnis, Ihr Bewusstsein und sogar Ihre Identität zu verlieren scheinen. Meine größte Sorge ist, dass das durch den Autounfall ausgelöst wurde und dass Sie unter diesen
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