Psychose: Thriller (German Edition)
Prickeln schoss wie ein kleiner Stromstoß durch Ethans Körper.
»Wie hieß Bill mit Nachnamen?«, fragte er.
»Evans.«
»Großer Gott.«
»Was ist?«
»Evans war der Tote in dem Haus, dessen Adresse Sie mir gegeben haben.«
»Genau. Ich wollte, dass Ihnen sofort klar ist, wie gefährlich dieser Ort ist.«
»Nachricht angekommen. Evans war einer der Secret-Service-Agenten, die ich hier in Wayward Pines suchen sollte.«
»Ich wusste nicht, dass Bill zum Secret Service gehört. Er hat mir nie etwas von dem erzählt, was er ›unser früheres Leben‹ nannte.«
»Wie ist er gestorben?«
Beverly nahm die Taschenlampe vom Boden, deren Licht immer schwächer wurde.
Sie schaltete sie aus.
Völlige Dunkelheit umgab sie.
Nichts als das Flüstern des Regens war zu hören.
»Es geschah in der Nacht, in der wir fliehen wollten. Mir ist noch immer nicht ganz klar, wie sie uns finden konnten, weil wir die Mikrochips zu Hause in unseren Betten gelassen hatten, wie immer. Bill und ich trafen uns an der vereinbarten Stelle und hatten Proviant und alles dabei … aber wir hatten nie eine Chance.«
Ethan konnte die Trauer in ihrer Stimme hören.
»Wir mussten uns trennen«, berichtete sie. »Ich habe es zurück zu meinem Haus geschafft, aber ihn haben sie erwischt. Sie haben ihn in Stücke gerissen.«
»Wer hat ihn in Stücke gerissen?«
»Alle.«
»Wer ist alle …«
»Die ganze Stadt, Ethan. Ich konnte … seine Schreie hören, aber ich konnte nichts für ihn tun. Doch da habe ich es verstanden. Mir wurde klar, was sie alle hier festhielt.«
Lange Zeit sagte keiner von ihnen ein Wort.
»Ich habe den Zaun nie erreicht«, meinte Ethan schließlich, »aber ich bin im Wald jenseits der Kurve auf der Straße, die südlich aus der Stadt herausführt, herumgelaufen. Erst letzte Nacht. Und ich könnte schwören, dass ich da was gehört habe.«
»Was?«
»Einen Schrei. Oder ein Weinen. Vielleicht auch eine Mischung aus beidem. Und das Komische ist, dass ich das Gefühl hatte, das schon einmal gehört zu haben. Im Traum. In einem anderen Leben. Ich bekam in meinem tiefsten Inneren so große Angst, als hätte ich das Heulen eines Wolfes gehört. Etwas, das in mir verwurzelt ist, reagierte darauf. Ich konnte nur noch weglaufen. Und jetzt erzählen Sie mir von diesem Elektrozaunund ich frage mich, warum er da steht. Um uns an der Flucht zu hindern? Oder um etwas fernzuhalten?«
Zuerst glaubte Ethan, das Geräusch würde nur in seinem Kopf existieren, eine Nachwirkung der Droge, die ihm Schwester Pam gegeben hatte, oder des Traumas nach Popes Schlägen und dem, was er danach erlebt hatte.
Aber es wurde schnell lauter.
Etwas klingelte.
Nein.
Sehr viele Dinge klingelten.
»Was ist das?«, fragte Ethan und rappelte sich auf.
Beverly stand bereits an der Tür und versuchte, sie aufzuziehen. Die Angeln knirschten, ein Schwall kalter Luft drang in die Gruft und auf einmal war das Geräusch viel lauter.
Jetzt wusste Ethan, was er da hörte.
Das Geräusch von fünfhundert Telefonen, die gleichzeitig klingelten, sodass ein heller, unheimlicher Ton durch das Tal hallte.
»Oh Gott«, meinte Beverly.
»Was ist?«
»So hat es auch in der Nacht angefangen, in der Bill gestorben ist.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Im Moment klingelt jedes Telefon in jedem Haus in Wayward Pines. Man sagt den Leuten, dass sie Sie suchen und töten sollen.«
Ethan machte sich auf die Wirkung dieser Information gefasst, aber obwohl er wusste, dass er eine Scheißangst hätte haben sollen, fing sein Verstand bereits an, in den tauben, vom Adrenalin gesteuerten Zustand zu verfallen, in dem es nur noch ums Überleben ging und den er aus anderen lebensgefährlichen Situationen kannte. Da war kein Platz für unnütze, verschwendete Gedanken oder Gefühle. Seine ganze Kraft wurde umgelenkt und kanalisiert, um das Einzige zu steigern, das ihn am Leben halten konnte: seine Sinneswahrnehmungen.
»Ich werde den Chip wegwerfen und mich hier verstecken«, sagte er. »Hier kann ich abwarten.«
»In Wayward Pines leben mehr als fünfhundert Menschen, die alle nach Ihnen suchen werden. Ich denke, dass irgendwann jemand durch diese Tür kommen wird, und Sie wollen nicht hier sein, wenn das geschieht.«
Ethan nahm ihr die Taschenlampe aus der Hand, schaltete sie ein und leuchtete in ihre Tasche.
»Was ist da drin?«, fragte er und ging neben der Tasche auf die Knie.
»Kleidung für Sie. Schuhe. Ich musste Ihre Größe
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