Psychose: Thriller (German Edition)
Luftschacht sanft vibrierte, was sich in seinem Körper fortsetzte.
Nach den vielen Stunden in der Dunkelheit wirkte dieses neue Gefühl auf ihn so beruhigend, als wäre er ein Baby, das den Herzschlag seiner Mutter spürt.
Irgendwann später hatte sich der blaue Stern in ein winziges Rechteck verwandelt.
Es wurde größer, bis es Ethans Sichtfeld komplett ausfüllte, und er wurde immer gespannter.
Irgendwann war er nur noch drei Meter davon entfernt.
Dann eineinhalb.
Schließlich schob er die Arme aus der Öffnung des Luftschachts, seine Schultern knackten und er genoss seine wiedergewonnene Bewegungsfreiheit so sehr, wie er einen Schluck Wasser genossen hätte.
Kopfüber aus der Röhre hängend, starrte er in eine zweite hinunter, die doppelt so breit war und in der er Eingänge zu weiteren Luftschächten erkennen konnte.
Ein sanftes blaues Leuchten kam von einer Glühbirne weiter unten und erfüllte den Hauptluftschacht.
Tief unter sich sah er den Lufteinlass.
Der Ventilator musste sich gute dreißig Meter weiter unten befinden.
Es war, als würde er in einen Brunnen sehen.
Im Abstand von jeweils drei Metern gingen weitere Luftschächte in die große Röhre über, von denen einige noch weitaus breiter zu sein schienen.
Ethan sah nach oben. Die Decke befand sich etwa sechzig Zentimeter über seinem Kopf.
Scheiße.
Er wusste, was er jetzt zu tun hatte, und es gefiel ihm gar nicht.
Ethan verließ den Schacht mithilfe derselben Technik, mit der er durch den Riss geklettert war: Er stellte die Füße einander gegenüber an die Wand und ließ sich langsam sinken.
Seine nackten Füße hatten auf dem Metall einen guten Halt, und trotz des drohenden Sturzes in den sich drehenden Ventilator, wenn er nur den kleinsten Fehler machte, war er froh, endlich aus dem engen Schacht heraus zu sein.
Er kam quälend langsam voran, da er immer nur einen Schritt nach dem anderen machen konnte und mit den Armen gegen die Wände drücken musste, wenn er die Beine absenkte, um dann erneut den Druck auf die Fußballen zu verlagern.
Nach zwölf Metern ruhte er sich in der Öffnung eines breiten horizontalen Schachts aus, saß auf dem Rand und starrte auf den Ventilator herunter, während er den letzten Rest seiner Vorräte verzehrte.
Er hatte sich so sehr auf das Überleben konzentriert, dass er sich erst jetzt fragte, welchem Zweck all das hier überhaupt diente.
Als er hinter sich in den Schacht blickte und bemerkte, dass die Dunkelheit in regelmäßigen Abständen durch helle Flecken unterbrochen wurde, beschloss er, nicht weiter nach unten zu klettern.
Stattdessen kroch er auf Händen und Knien zwölf Meter auf dem Metall nach vorn, bis er an der ersten hellen Stelle angelangt war.
Er hielt am Rand an und blickte gespannt, wenn auch etwas nervös nach unten.
Vor ihm war keine Lichtquelle.
Das war ein Ventilator.
Als er hindurchstarrte, konnte er einen gekachelten Boden erkennen.
Die Luft, die zu ihm emporstieg, war angenehm warm, wie eine Meeresbrise mitten im Juli.
Lange Zeit saß er da und wartete.
Nichts geschah.
Er hörte die sich bewegende Luft, seine Atmung, wie sich das Metall ausdehnte und zusammenzog und sonst nichts.
Ethan hob das Gitter des Ventilators an.
Es ließ sich problemlos abnehmen, da es weder angeschraubt, festgenagelt noch verschweißt war.
Dann legte er das Gitter neben sich, ergriff die Kante und sammelte seinen Mut zusammen, um nach unten zu klettern.
KAPITEL 16
Ethan ließ sich aus dem Luftschacht nach unten sinken, bis seine nackten Füße die schwarz-weißen Bodenkacheln berührten. Er stand in der Mitte eines langen, leeren Korridors. Über sich hörte er das Summen fluoreszierender Lichter und das leise Säuseln der Luft durch die Luftschächte, ansonsten war alles still.
Seine Füße erzeugten ein leises Geräusch auf dem Boden, als er sich in Bewegung setzte.
Im Abstand von etwa zwölf Metern waren Türen auf jeder Seite des Gangs, und die nächste auf der rechten Seite stand einen Spalt offen, sodass Licht auf den Boden fiel.
Er erreichte sie – Nummer 37 – und legte seine Hand auf den Türknauf.
Er lauschte.
Keine Stimmen. Keine Bewegungen. Nichts, was ihn abschrecken konnte.
Er drückte die Tür etwas weiter auf und sah hinein.
An der gegenüberliegenden Wand stand ein Einzelbett mit Metallrahmen, das ordentlich gemacht worden war. Daneben ein Schreibtisch mit gerahmten Fotos und Tulpen in einer Vase. Sein Blick wanderte über ein deckenhohes
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