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Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Titel: Pubertät – Loslassen und Haltgeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Rogge
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aneinandergeraten. Der Ablauf dieser Auseinandersetzungen ähnelt einem eingeschliffenen Ritual, das sich mit genau verteilten Rollen, einer bestimmten Dramaturgie und vorauszusehendem Ausgang vollzieht: Eltern bestehen auf Regeln, die die Heranwachsenden anders sehen. Die mehr oder minder expliziten Anforderungen der Eltern lösen bei Jugendlichen Blockaden aus. Sie verweigern sich nach dem Motto «Jetzt erst recht!» oder «Jetzt nicht!».
    Viele Eltern lassen sich schnell in die Rolle eines Gegners drängen, reagieren dann mit fast kindischem Trotz – wie unter der Überschrift: «Wir wollen doch mal sehen, wer hier gewinnt!»–, während die Pubertierenden denken: Ich habe den längeren Atem!
    Andere Eltern geben in solchen Situationen rasch nach oder tragen sich mit schlechtem Gewissen: «Hab ich nicht zu viel verlangt?» – «Mein Gott – autoritär sein, das ist das Letzte, was ich sein möchte.» Gerade Heranwachsende spüren schnell, dass sich ihre Eltern nicht wohlfühlen, wenn sie sich als Vor- oder Leitbild darstellen. Gleichwertigkeit in der Beziehung zu pubertierenden Kindern bedeutet aber keineswegs Gleichrangigkeit oder «Gleichmacherei» – Eltern sind Heranwachsenden in mancherlei Hinsicht an Erfahrung und Wissen überlegen. Sie können Gefahren abschätzen, vorausschauend handeln. Dieser Hintergrund kann konstruktiv wirken oder hemmend, wenn der elterliche Erfahrungsüberschuss als Besserwisserei missverstanden wird. Eltern
verkörpern
Wissen, das Pubertierende erst erwerben müssen. Eltern bieten Bindung und damit Sicherheit. Pubertierende fühlen diese Qualität des «Mehr», sie verlangen dieses «Mehr» geradezu von ihren Eltern – wenn auch nicht kritiklos.
    Bedenken Sie: Wenn Heranwachsende Ihre Aussagen nicht widerspruchslos hinnehmen, dann zeugt das auch von Selbstbewusstsein. Für mich sind diese Reibungen natürlicher und altersgemäßer als Reaktionen, die elterliche Anweisungen mit einem «Jawohl, Mama!» oder «Jawohl, Papa!» beantworten. Pubertierende verrennen sich in bestimmte Sichtweisen: «Ich muss immer machen, was ihr wollt.» – «Ich darf nie.» Doch ist das nicht ihr Vorrecht, auch Erwachsene entwickeln nicht selten eine Sicht der Dinge, die nur schwer zu verändern ist.
    Mir ist es wichtig, in der Beratung nicht allein nach den Gründen von Fehlhandlungen Pubertierender zu fragen, sondern von dem Umstand auszugehen, dass Jugendliche so handeln, wie sie es tun, und ihre Eltern diese Handlungen bewerten. Dabei fällt auf: Es sind häufig nicht die Handlungsmuster, die Eltern verunsichern.Es sind vielmehr die elterlichen Vorstellungen von diesen Handlungsmustern, die beunruhigen. Wie können Eltern zu einer angemesseneren Sicht der Dinge kommen?
    Sarah Bertram hatte Stress mit ihrem zwölfjährigen Lars. Das Thema waren die Hausaufgaben, die jedes Mittagessen zur Hölle machten.
    «Ich frage ganz friedlich nach der Schule und den Hausaufgaben. Dann geht das Theater schon los. Er mault über das Essen, provoziert, wo er nur kann. Es ist, ehrlich gesagt, zum Kotzen.» Lars bestätigt dies: «Ich komme nach Hause. Und schon gibt es die erste Frage: ‹Was habt ihr auf?› Und wenn ich dann was antworte, stellt sie schon fest: ‹Na, nicht so viel. Dann kannst du es ja gleich nach dem Mittagessen machen usw.› Und wenn ich dann dieses freundliche Gesicht meiner Mutter sehe. Aber es ist ja nicht freundlich. Wenn ich nicht mache, was sie will, jault sie rum oder ist beleidigt!»
     
    Ich unterhalte mich allein mit Lars.
    «Was, glaubst du, wäre anders», frage ich, «wenn du nach Hause kommst, und es ist ein Wunder geschehen? Deine Mutter ist verzaubert. Woran würdest du das merken?»
    «Daran, dass sie freundlich lächelt, mich in den Arm nimmt und von sich erzählt», meint Lars.
    «Und woran würde deine Mutter bemerken, dass sich bei dir etwas verändert hat?», will ich wissen.
    «Ich lass mich in den Arm nehmen und meckere nicht über das Essen!»
    Als ich der Mutter diese Wunderfrage stelle, die auf den Therapeuten de Shazer zurückgeht, meint sie:
    «Lars brüllt nicht ‹Mistessen› oder so etwas, wenn er die Haustür öffnet, oder: ‹Hier riecht es wieder so eklig!›»
    «Und woran bemerkt er Ihre Veränderung?» Sie überlegt. Dann: «Ich frage nicht sofort nach der Schule!»
    Ich vereinbare mit beiden, am nächsten Tag so zu tun, als sei es ein Wundertag.
    Als Lars nach der Schule die Haustür öffnet, findet er die Mutter nicht, die sonst im Flur steht und

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