Pubertät – Loslassen und Haltgeben
Jugendliche, die in einem Konfliktgespräch sofort Verstehen signalisieren und auf jede Absprache eingehen, reagieren allzu beflissen und angepasst. In der Folgezeit setzen sie jedoch die Vereinbarungen nicht, oder nur selten, um. Heranwachsende benötigen Zeit, um das Gehörte zu verarbeiten, und sie müssen ihr Gesicht wahren. Wenn Jugendliche eine Vereinbarung sofort akzeptieren, können sie das auch als Niederlage, als Bevormundung, empfinden, was Rache- oder Vergeltungsphantasien gegenüber Eltern auslösen kann.
Heranwachsende kritisieren gern, Eltern verallgemeinern schnell und unterstellen viel. Und tatsächlich ist es so: Viele Konfliktgespräche verlaufen deshalb so unproduktiv, weil alle Beteiligten – insbesondere die Eltern – sich nicht an zwei wichtige Grundregeln halten:
Es geht im Gespräch um die Klärung nur eines Problems. Das Aufarbeiten mehrerer Probleme führt dazu, sich zu verzetteln. Wer die nichtgemachten Hausaufgaben zum Anlass nimmt, mit seinem pubertierenden Sohn zu reden, und schnell über ausufernde Discobesuche oder die «schlimmen» Freunde spricht, darf sich nicht wundern, wenn das Gespräch angeheizt wird.
Viele Eltern beschreiben den Sachverhalt nicht, sondern sie unterstellen ihrem pubertierenden Kind eine Unart. Sätze wie «Du bist faul!», «Du ziehst dich immer mehr zurück!» oder «Du bist depressiv!» rufen beim Heranwachsenden häufig Gegenreaktionen hervor. Formulierungen wie «Ich finde, du nimmst die Schule zu leicht!», «Ich finde, du bist sehr nachdenklich in letzter Zeit!» oder «Du bist sehr still!» orientieren sich mehr an den Befindlichkeiten des Heranwachsenden.
Konfliktgespräche sollten mit konkreten Absprachen enden, die man – falls notwendig – auch schriftlich fixieren kann. Man sollte diesen Zettel so aufhängen, dass alle Beteiligten ihn sehen, man an die Vereinbarung erinnert wird.
«Schon eine falsche Formulierung», so eine Mutter, «und meine Tochter, die Annabel, geht hoch.»
«Wenn du aber auch so einen Mist redest und mich nicht für voll nimmst», kontert die 1 4-jährige Tochter. Der Konflikt zwischen Mutter und Tochter endet ständig in «heißen» Auseinandersetzungen. Auslöser ist meist die Zeit, wann die Tochter zu Hause zu sein hat. Wenn die Mutter sagt: «Du bist heute um sieben zum Abendessen zu Hause!», dann platzt die Tochter vor Wut und empört sich: «Ich komme, wann ich will. Ich bin groß genug!»
«Aber ich möchte doch nur», sagt die Mutter zu mir, «mit ihr zu Abend essen und sie daran erinnern!»
Hier liegt ein typisches Missverständnis in der Kommunikation vor. Während die Mutter eine Formulierung gebraucht, in der sie nur verklausuliert ihre Bedürfnisse artikuliert, empfindet die Tochter diesen Satz als Angriff auf ihr selbstbestimmtes Handeln. Ein Satz wie «Du bist um sieben zum Abendessen zu Hause!» kann viele Botschaften transportieren:
Den Sachaspekt: «Ich möchte, dass du um sieben zu Hause bist!»
Den Appellcharakter: «Und verspäte dich nicht, so, wie du dich häufig verspätest!»
Den Beziehungszusammenhang: «Ich bestimme, wann du zu Hause bist!»
Den Ausdruck eines Gefühls: «Ich sorge mich, wenn du nicht um sieben da bist!»
Entscheidend für den weiteren Verlauf des Gesprächs ist, mit welchem Ohr die Tochter hört, soll heißen, auf welchen der Gesichtspunkte sie antwortet: Nimmt sie den Sachaspekt («Ich muss um sieben zu Hause sein!»), den Appellcharakter («Mist, ich muss immer so früh zu Hause sein. Gerade wenn wir mitten im Gespräch sind, muss ich gehen!»), die Beziehungsdimension («Dauernd werde ich kontrolliert!») oder den emotionalen Ausdruck («Ich pass auf mich auf! Ich kann das schon allein!») wahr?
Zu Missverständnissen – wie im vorliegenden Fall – kommt es immer dann, wenn sich die Beteiligten auf unterschiedlichen Ebenen unterhalten. Der angeführte Konflikt zwischen Annabel und ihrer Mutter zeigt es: Während die Mutter in diesem Fall den Sachaspekt in den Vordergrund rückt, glaubt sich Annabel auf der Beziehungsebene angesprochen. Sie fühlt sich von ihrer Mutter bevormundet, daher können sie sich nicht verständigen. Drücken Sie sich klar aus, und artikulieren Sie Ihre Gefühle! So helfen Sie sich und Ihrem Kind, angemessen und verständlich miteinander ins Gespräch zu kommen.
Konflikte und alltägliche Reibereien gibt es mehr als genug. Jede Familie hat bestimmte Situationen, in denen die Beteiligten regelmäßig und intensiv
Weitere Kostenlose Bücher