Pubertät – Loslassen und Haltgeben
Papa, dessen Freundin räumt wenigstens auf!»
«Marlene, ich kann dich nicht aufhalten. Ich bin damit nicht einverstanden, aber ich denke, du weißt, was du tust, wenn du zu Papa ziehst!»
Fluchend, die Tür zuschlagend, verließ Marlene das Zimmer – und begann aufzuräumen.
An dieser Situation kann man noch einmal die Phasen von Konfliktgesprächen verdeutlichen:
Die Lage bzw. der Sachverhalt wird geklärt. Dazu zählt der Verzicht auf Vorwürfe, dazu gehört eine genaue Beschreibung.Eine Einigung kann nicht gegen den Pubertierenden erfolgen, vielmehr sollten Sie Ihr Kind um Mithilfe bei der Konfliktlösung bitten. Häufig gelingt dann schnell eine Absprache. Falls sie nicht zustande kommen sollte, kann man das Gespräch vertagen – mit der Auflage, dass alle Beteiligten sich zwischenzeitlich um eine Lösung bemühen. Dem Pubertierenden muss freilich klar sein, dass die Eltern an der eingeschlagenen Linie festhalten.
Kommt man erneut zusammen, dann ist die elterliche Position mit Klarheit zu wiederholen. Dabei sollten Sie sich nicht auf Provokationen einlassen, auf Nachfragen nur kurz eingehen, vor allem gelassen bleiben. Notfalls hilft eine Auszeit.
Halten sich Ihre Kinder nicht an gemeinsame Absprachen, sollten Konsequenzen folgen, die allen Beteiligten vorher bekannt sein müssen, die aber auch ein bisschen verrückt sein dürfen. Bedenken Sie: Konsequenzen sind einzuhalten! Inkonsequenz bedeutet aus der Sicht der Heranwachsenden, sich auf Eltern nicht verlassen zu können.
Bei Konfliktlösungen kann man auch von Heranwachsenden lernen! Deren Kompetenzen sind genauso ernst zu nehmen. Tun Sie ihre Ideen, ihr Handeln nicht vorschnell als minderwertig oder zweitrangig ab.
Manchmal sehen Eltern freilich Probleme, die für Heranwachsende überhaupt keine sind. Eltern konstruieren Konflikte und wundern sich dann, wenn ihnen keine Lösungen einfallen.
Wiedergutmachungen
Nicht immer kann man Konflikte durch die beschriebenen Verfahren, durch Gespräche, konsequentes Verhalten oder unorthodoxe Methoden lösen. Schwierig wird es vor allem, wenn Pubertierende etwa vorsätzlich fremdes Eigentum zerstören undbeschädigen, wenn sie andere Personen psychisch oder physisch verletzt haben. Jugendliche brauchen dann unmittelbare Reaktion und Beachtung, sonst weitet sich ihr zerstörerisches Handeln aus. Hier bietet sich die Methode der Wiedergutmachung an, ein pädagogisches Handlungsmuster, das man nur wenig anwendet. Die Wiedergutmachung ermöglicht es, sowohl die Perspektive des Opfers bzw. des Geschädigten als auch des Täters einzunehmen und beide Blickwinkel zum Ausgleich zu bringen.
Julia, Eike und Wolf, alle 14 Jahre alt, werden erwischt, als sie ihre Schule mit Graffiti besprühen. Was sie für künstlerische Selbstverwirklichung halten, stellt sich bei näherem Betrachten als vorsätzliche Sachbeschädigung dar. Alle drei sehen zwar ein, dass sie «Mist gemacht haben», wollen den Schaden aber über die Haftpflichtversicherung ihrer Eltern regulieren. Eike zum Schulleiter: «Ich bringe Ihnen morgen die Versicherungsnummer mit.» Doch der lässt sich darauf nicht ein. Er fragt: «Wie könnt ihr den Schaden rückgängig machen?»
Die drei zucken mit den Schultern.
Der Schulleiter wiederholt: «Ihr habt euch ja auf frischer Tat erwischen lassen!»
Eike überlegt.
«Vielleicht dem Hausmeister helfen?», fragt er vorsichtig.
Der Schulleiter nickt und fährt gelassen fort: «Nun habt ihr die Gelegenheit, eure Malerarbeiten rückgängig zu machen. Ihr helft dem Hausmeister bei der Reinigungsarbeit an der Mauer.»
Die drei maulen zwar, verbringen dann aber den Nachmittag mit der Beseitigung der Graffiti. Hier zeigen sich einige produktive Aspekte der Wiedergutmachung:
Wenn man, wie zumeist, Schäden bargeldlos begleicht, bedeutet das keine aktive Schadensbeseitigung. Durch eine konkrete Handlung wie die Reparatur oder Reinigung wird Jugendlichen die Möglichkeit gegeben, ihre Grenzverletzungenwiedergutzumachen. Dadurch gibt man ihnen auch die Chance, Verantwortung für ihr zerstörerisches Tun zu übernehmen. Sie können Schuldgefühle bearbeiten, die möglicherweise mit dem Handeln einhergehen.
Die Wiedergutmachung muss man durch Gespräche begleiten und den Jugendlichen zeigen: «Ich nehme dich an. Aber nicht dein Verhalten!» Die Art der Wiedergutmachung ist gemeinsam zu entwickeln.
Die Wiedergutmachung muss zumutbar sein, die gefühlsmäßigen und intellektuellen Fähigkeiten berücksichtigen.
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