Pubertät – Loslassen und Haltgeben
dir ja gleich gesagt. Aber das habe ich mir verkniffen. Ich habe tief durchgeatmet, sie in den Arm genommen und gestreichelt. Das hat ihr gutgetan. Die Haare waren kein Thema mehr, die Farbe wusch sich raus, die Haare sind nun wieder etwas länger, und ihre Frisur ist frecher geworden.»
SCHULE UND DIE LEIDIGEN HAUSAUFGABEN
Beate Schuster, Mutter der 1 4-jährigen Svenja, erzählt von der schulischen Laufbahn ihrer Tochter, davon, wie diese in den ersten Lebensjahren alles allein erledigte, kaum Unterstützung wollte, geschweige denn Kontrolle brauchte.
«Sieben Jahre ging es gut. Sieben fette Jahre!» Sie lacht verzweifelt. «Ich hielt mich raus, war auch ganz froh drüber. Ich vertraute meiner Tochter. Sie redete sehr souverän daher, ja, ich hatte das Gefühl, sie wird erwachsen.» Die Mutter stockt, macht eine Pause und sagt dann: «Wenn ich die anderen Eltern hörte – von wegen Hausaufgabenstress und so, dann war ich ganz stolz … Natürlich auch auf mich. Das hast du gut hingekriegt, hab ich gedacht. Natürlich war ich auch stolz auf meine Tochter.» Sie hält inne. «Dann kam mal wieder das Halbjahreszeugnis näher, und da wollte Svenja mit mir sprechen. Ich solle mir keine Sorgen machen, aber in Mathe und Latein sehe es diesmal schlecht aus. Ich ab in die Schule zu den Lehrern. Und da trifft mich der Schlag. Svenja hatte seit sieben Monaten kaum noch Hausaufgaben gemacht. Ihr Wissen wäre, so ein Lehrer, mit einem Schweizer Käse vergleichbar: ‹Nur Lücken. Aber die reichlich!› Doch sie könne unheimlich gut erzählen und alles verständlich darlegen. Der Lehrer blickt mich an. ‹Sie sollen sehr krank gewesen sein. Deshalb musste sich Svenja sehr um Sie kümmern.›» Sie trinkt hastig einen Schluck Kaffee. «Ich rase nach Hause, will mir meine Tochter vorknöpfen, doch die verweigert sich: ‹Du weißt sowieso alles besser und laberst mich voll!› Ich versuchte also zu retten, was noch zu retten war!»
Auf den Vorschlag ihrer Mutter, einen Nachhilfelehrer zu engagieren, geht Svenja nicht ein. «Der Tag des Zeugnisses war eine Katastrophe für mich, für alle. Ich hab zwar gesagt, ich mag dichso, wie du bist, aber das war irgendwie mechanisch.» Die Mutter blickt resigniert-verzweifelt drein. «Und Svenja machte ganz auf Konfrontation: ‹Warum schaust du nur auf Mathe und Latein? In Deutsch und Spanisch habe ich eine Eins.›»
Svenja sagt ihrer Mutter lächelnd Sätze wie: «Mama, du weißt, ich liebe die Extreme. Wo ich nicht die Beste sein kann, bin ich die Schlechteste.» Und dann versucht Svenja ihr Zeugnis schönzureden. «Ich blöde Kuh», so die Mutter, «lasse mich auf all die Diskussionen ein. Ich sage: ‹Svenja, denk an die Hausaufgaben.› Und sie: ‹Hab nichts auf. Hab schon im Bus gelernt.› Oder ich frage: ‹Svenja, musst du noch Mathe machen?› Und sie, ganz lässig: ‹Da bin ich nicht begabt.› Oder: ‹Das kapier ich doch nicht!›» Die Mutter ist mächtig wütend. «Dann lernt sie auf dem Fußboden in ihrem Zimmer, weil der Schreibtisch mit irgendwelchen Zeitungen oder Büchern vollgestopft ist.»
Sie ist genervt. «Ich halt das nicht aus. Und ich brüll schon mal. Dann rennt meine Tochter in ihr Zimmer und ist ein Häufchen Elend!»
Als andere Eltern diese Schilderungen hören, nicken sie zustimmend, ihnen ergehe es nicht anders. «Das tut zwar gut», sagt Beate Schuster, «das erleichtert. Aber wenn ich nachher zu Hause bin, dann geht’s von vorne los!»
«Genau, ganz genau!», ruft Christa Schwager mit Vehemenz in der Stimme. «Wenn ich gleich nach Hause komme, dröhnen mir draußen auf der Straße schon die Bässe entgegen. Mein Sohn, der Tobias, sitzt im Zimmer und hört Musik, liegt auf dem Bett oder blättert in Musikzeitschriften. Mir hat er zwar versprochen, zu lernen. Aber nichts! Wenn ich was sage, legt er den Arm um meine Schultern: ‹Aber, Mum! Das wird schon, Mum! Wirst sehen, Mum!› Aber was ich sehe, sind seine Zensuren. Faul ist er, stinkfaul! Dabei ist er intelligent. Wie kann ich ihn nur überzeugen, wenigstens eine halbe Stunde was für die Schule zutun? Eine halbe Stunde! Mehr doch nicht!» Ihre Stimme klingt beschwörend. «Das ist doch nun wirklich nicht zu viel verlangt! Eine halbe Stunde!» Sie sieht mich an. «Wie kann ich Tobias nur klarmachen, dass die Schule wichtiger ist als seine verdammten Rockgruppen?»
Kaum ein Thema ist bei Eltern wie Pubertierenden so von heftigen Gefühlen durchdrungen wie die Auseinandersetzungen
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