Pubertät – Loslassen und Haltgeben
Ausnahme bleiben.
Denken Sie daran: Das Gefühl von Zugehörigkeit entwickelt sich über aktives Mithandeln. Wer Heranwachsende unablässig materiell verwöhnt – und sei es aus noch so einleuchtenden Motiven heraus –, lässt Heranwachsende ohne eigenständige Erfahrungen,macht sie beziehungslos oder trägt Verantwortung dafür, wenn aus persönlichen Erziehungsbeziehungen eine geschäftliche Dienstleistungsbeziehung wird.
«Mein Sohn steht auf Markenklamotten!»
Eine besondere Qualität erreichen die Auseinandersetzungen, wenn es um Konsum und um Markenbewusstsein geht. Da darf es nicht irgendein T-Shirt , da muss es ein ganz bestimmtes sein, dann dürfen nicht irgendwelche Sportschuhe, da müssen ganz spezielle gekauft werden … Und das hat seinen Preis – einen Preis, den viele Eltern zahlen, um nicht als böse und altmodisch dazustehen, einen Preis, mit dem sie sich vermeintlich harmonische Beziehungen erkaufen möchten.
Jacobs Vater hat mit seinem Sohn konkrete Erfahrungen gemacht. Er erzählt: «Mein Sohn hat bestimmte Vorstellungen hinsichtlich seiner Kleidungsstücke, seiner Schuhe, seiner Schulausrüstung – alles sucht er nur unter Markengesichtspunkten aus. Namenlose Artikel haben keine Chance. Wenn ich ihm die kaufe, fliegen die sofort in die Ecke. Ich bekomme dann zu hören: ‹Ich bin in der Schule schon ein Außenseiter!› Oder: ‹Die lachen über mich.› Wenn ich dann sage: ‹Ich hatte das früher auch nicht. Ich war froh, überhaupt ein Paar Schuhe zu haben›, dann lacht er nur und meint keck: ‹Wir haben nicht mehr früher.› Ich bin da machtlos. Ich will den Konsumrausch nicht mitmachen, aber dann habe ich die ständigen Diskussionen, und ich will natürlich auch nicht, dass man über Jacob lacht. Manchmal werde ich schwach, bin inkonsequent und kaufe irgendwelche teuren Sachen und ärgere mich hinterher darüber.»
Ich kann Eltern in dem Hin-und-her-gerissen-Sein verstehen. Erziehung ist angesichts des ungeheuren Warenangebots einer Konsumwelt, die fast alle Lebensbereiche durchdringt, eineschwere Aufgabe: Auf der einen Seite wollen sie das Beste für ihr Kind, auf der anderen Seite spüren sie, dass nicht jedes materielle Bedürfnis befriedigt werden kann.
Meine Erfahrung ist: Heranwachsende können mit materiellen Frustrationen, wie der nicht gekauften Markenjeans, dem nicht geschenkten Computerspiel, dann gekonnt umgehen, wenn sie in einem emotional ausgeglichenen Familienklima aufwachsen. Bedenken Sie: Beziehungen kann man nicht erkaufen, Beziehungen werden gelebt, intensiv erfahren. Natürlich spüren Heranwachsende die Schwierigkeiten, die Eltern haben, sie materiell zu frustrieren. Diese Unsicherheiten nutzen sie mal hinterlistig, mal erpresserisch aus: «Du hast mich wohl nicht mehr lieb!» oder «Alle anderen haben das doch auch!». Das sind schlitzohrige Erpressungsversuche, mit denen Eltern auf Festigkeit hin ausgetestet werden. Es ist eine wichtige Entwicklungsaufgabe, dass Heranwachsende lernen, materielle Frustrationen auszuhalten. Das kann Ansporn sein, nach Möglichkeiten zu suchen, sich materielle Wünsche zu erfüllen.
Zweifelsohne üben Markenartikel Reiz auf Heranwachsende aus. Über sie kann man sich ausdrücken und abgrenzen. Markenartikel sind – ob man es nun will oder nicht – Teil einer kommerzialisierten Jugendkultur. Doch müssen Eltern nicht jede Markenmode mitmachen:
Zeigen Sie Verständnis für die Wünsche Ihrer Kinder. Machen Sie aber zugleich klar, dass Sie nicht bereit sind, jedem Wunsch zu entsprechen.
Fangen Sie nicht an, davon zu erzählen, dass Sie als Jugendlicher sehr asketisch leben mussten. Solche Argumente überzeugen nicht, sondern erzeugen Widerstand.
Machen Sie mit Ihren Heranwachsenden aus, welchen Betrag Sie für den Kauf eines Artikels zur Verfügung stellen wollen. Orientieren Sie sich dabei an den Preisen eines «namenlosen» Artikels.
Überlegen Sie mit dem Kind, welche eigenständigen Möglichkeiten es hat, den Differenzbetrag (z. B. mit Taschengeld, kleineren Arbeiten usw.) zu verdienen. Meine Erfahrung ist: Heranwachsende haben zu Dingen, an deren Kauf sie produktiv und eigenständig beteiligt sind, eine intensivere Beziehung. Diese Waren sind ihnen mehr wert, werden besonders gepflegt und behandelt.
«Ich will aussehen, wie ich will!»
Die Pubertät drückt sich auch über körperbetonte, sinnlich-anschauliche Bedürfnisse aus. Sexualität gehört selbstverständlich dazu. Doch machen sexuelle Gefühle,
Weitere Kostenlose Bücher