Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht
Dinge. Oft geht es dabei um unsere psychischen Probleme, und meine Mutter versucht, gute Ratschläge zu geben, wo sie nur kann. Doch irgendwie scheinen wir unersättlich zu sein, irgendwo in mir gibt es so viel Selbsthass und Bitterkeit und Minderwertigkeitsgefühle, dass die Zuwendung einer anderen Person einfach nicht ausreicht, um das zu ändern. Und eigentlich scheint mir auch keiner richtig zuzuhören, wenn ich erzähle, wie es mir geht.
Ich weiß nicht, was ich machen soll. Sollte ich mich von meiner Familie befreien und einfach ausziehen? Was können wir in unserer Familie tun, um unser Selbstwertgefühl zu steigern? Ich beobachte, wie andere ihr Leben meistern, sich Freundinnen zulegen, gute Noten haben und wissen, was sie wollen. Ich weiß, dass ich stark bin, aber ich muss jemand finden, der mir dabei hilft, mir den Glauben an mich selbst zu geben.
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
ANTWORT
Ich habe einmal jemand in deinem Alter kennengelernt, der festgenommen wurde, weil er in mehrere Sommerhäuser eingebrochen war. Er war gerade aus einem Jugendheim weggelaufen und war in die Häuser eingebrochen, weil er hoffte, dort etwas zu essen zu finden. Schließlich hatte er selbst die Polizei angerufen, weil er sich Zugang zu einem Haus mit einem riesigen Vorratskeller verschafft hatte, der bis zum Rand mit Lebensmitteln gefüllt gewesen war. Doch aufgrund eines schweren gusseisernen Gitters, das sich nicht öffnen ließ, kam er nicht an die Lebensmittel heran.
Er sagte zu mir: »Es ist kein Problem, in ein Haus einzubrechen und zu entdecken, dass es dort nichts zu essen gibt. Dann versucht man es eben beim nächsten Haus. Doch auf der Treppe zu sitzen und all die Herrlichkeiten direkt vor Augen zu haben, ohne an sie heranzukommen, hat mir einfach den Rest gegeben.«
In mancher Hinsicht ähnelt deine Situation der dieses jungen Mannes. Er sah einen Vorratsraum, der voller Nahrung war, die er dringend brauchte, und in deiner Familie ist der Vorratskeller bzw. der Kühlschrank leer. Das ist er schon seit langer Zeit, doch ist ein Kind kaum in der Lage, das zu akzeptieren. In der Fantasie des Kindes haben die Eltern alles, was das Kind braucht. Ist das nicht der Fall, macht es sich selbst Vorwürfe oder findet sich damit ab, an der Hungergrenze zu leben.
Ich kann nicht entscheiden, ob du ausziehen und mit deinen Eltern brechen solltest, doch wäre es eine fantastische Sache für dich, wenn du der Realität ins Gesicht sehen und die Hoffnung aufgeben würdest, dass der Kühlschrank plötzlich prall gefüllt mit all deinen Lieblingsspeisen sein wird. Das wird niemals geschehen. Du hast die Familie, die du hast, und bist zwar noch gerade mit dem Leben davongekommen, aber das »richtige« Leben hat bei dir (und den anderen) quasi noch nicht begonnen.
Dein Brief vermittelt mir den Eindruck, dass du vieles durchschaust, nur noch nicht die entscheidenden Schritte unternommen hast, um dich aus deiner gegenwärtigen Situation zu befreien. Bevor du dazu in der Lage bist, wirst du wohl einige Zeit und emotionale Energie darauf verwenden müssen, dich zu »verabschieden«. Nicht nur von deinen Eltern, sondern vor allem von deinen Träumen, dass sie dir das geben können, was du brauchst.
Es ist oft ebenso schwierig, sich von einer Fantasie zu verabschieden wie von einem geliebten Menschen, der tatsächlich gestorben ist. Dazu musst du deinen Zorn und deine Trauer spüren und zum Ausdruck bringen, und vermutlich wäre es das
Beste, du würdest dies zusammen mit einem erfahrenen und empathischen Psychologen/Psychotherapeuten tun. Deine Fantasie ist ein alter Freund, den du bereits dein Leben lang kennst. Auch wenn dein Gehirn dir sagt, dass eine bestimmte Vorstellung vollkommen unrealistisch ist, wird es schmerzhaft sein, sich von ihr zu verabschieden. Falls du das allein tun willst, läufst du Gefahr, mit großen Ängsten konfrontiert zu werden - Ängste, die du nicht versuchen solltest, allein in den Griff zu bekommen.
Wie dein Verhältnis zu deinen Eltern und Geschwistern in Zukunft aussehen wird, lässt sich unmöglich vorhersagen, ehe du nicht deine Fantasievorstellungen begraben und eine Weile ihren Verlust betrauert hast. Doch eines schönen Tages wirst du spüren, wie dein Körper von neuer Energie durchflutet wird, und dies wird das Signal sein, dass du nun frei bist und ein neues Leben beginnen kannst. Das Fundament dieses neuen Lebens wird zunächst nicht besonders belastbar sein, aber dieses Los
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