Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht
Leben so leben, wie es sich gegenwärtig entwickelt,
und wissen, dass Sie bedingungslos für ihn da sind. Nicht als Therapeut oder Sozialarbeiter, sondern als Sparringspartner und Stütze.
Das kann für beide Seiten harte Arbeit bedeuten, doch gibt es glücklicherweise immer mehr Teenager, die ihr Leben mit großer Sicherheit und Selbstverständlichkeit in die Hand nehmen, ohne aus ihren Eltern Feindbilder zu machen.
Die beste Gewähr, dass Sie auch weiterhin ein enges Verhältnis zu Ihrem Sohn haben werden, ist Ihr eigener Wille, sich gemeinsam mit ihm zu entwickeln. Sie sind zwar nicht mehr für seine Erziehung verantwortlich, doch tragen Sie nach wie vor die Hauptverantwortung für Ihre Beziehung - die ja bekanntlich der wichtigste Faktor in der Erziehung ist. Viel Vergnügen dabei!
Strafe nach einer Grenzüberschreitung?
LIEBER JESPER JUUL,
ich schreibe Ihnen, weil ich eine Frage in Bezug auf einen Teenager habe, der eine gewisse Grenze überschritten hat. Vor 20 Minuten habe ich einen Anruf von meiner Schwester bekommen, die sehr erregt war. Sie hat den ganzen Nachmittag über versucht, ihren 15-jährigen Sohn Kasper zu erreichen. Irgendwann hatte sie die Telefonnummer des Freundes herausgesucht, bei dem Kasper angeblich zu Besuch war. Doch seine Eltern teilten ihr mit, dass Kasper nicht da und ihr eigener Sohn am anderen Ende des Landes sei. Daraufhin ging meine Schwester in Kaspers Zimmer, in der Hoffnung, dort irgendeinen Hinweis auf seinen Aufenthaltsort zu finden. Da sein Computer angeschaltet war, überflog sie seine E-Mails und stieß dabei auf eine Mail an ein Mädchen, das sie nicht kannte. Offenbar hatten sie sich im Internet kennengelernt.
In seiner Mail beschrieb Kasper seine Mutter als Nervensäge und Schlampe, die ihn zwinge, seine Hausaufgaben zu machen, und ihn nicht tun lasse, was ihm gefällt. Wenn er nicht rechtzeitig von zu Hause wegkäme, um sich mit ihr zu treffen, fuhr Kasper fort, würde er sich eben irgendein Moped ausleihen oder zur Not eines stehlen.
Entsetzt über diese Mail beschloss meine Schwester, Kaspers Vater anzurufen, damit dieser Kontakt zu seinem Sohn aufnehmen würde. Die beiden haben sich scheiden lassen, als Kasper ungefähr sechs war.
Es gelang dem Vater, Kasper zu erreichen, der sich irgendwo außerhalb der Stadt aufhielt, aber auf dem Heimweg war. Kasper sagte zu ihm, dass er keine Lust habe, seiner Mutter zu erzählen,
wo er gewesen sei, weil er ihr dann über alle möglichen Dinge Rede und Antwort stehen müsste.
Meine Schwester ist eine Frau mit gesundem Menschenverstand und einer gehörigen Portion Klugheit. Vor wenigen Jahren hat sie eine langwierige Familientherapie gemacht, um das Verhältnis zu ihrem Sohn zu verbessern. Die Therapie hat sich in vieler Hinsicht sehr positiv ausgewirkt.
Wir stammen selbst aus einer dysfunktionalen Familie, was dazu geführt hat, dass wir als Erwachsene Hilfe in Anspruch nehmen mussten, um unser Leben in den Griff zu kriegen. Meine Schwester steht kurz vor Beendigung ihrer Ausbildung zur Sozialberaterin, was ohne die langjährige Familientherapie, die sie selbst durchlaufen hat, nicht möglich gewesen wäre. Sie besitzt inzwischen umfangreiche pädagogische Kenntnisse und persönliche Erfahrungen, doch natürlich tut man sich schwer, wenn es um die eigenen Kinder geht.
Kasper hatte schon immer Schwierigkeiten in der Schule, sowohl in fachlicher als auch sozialer Hinsicht, und hat relativ viele dysfunktionale Züge. Aus Angst, den Anforderungen nicht zu genügen, geht er der Realität aus dem Weg, übertreibt vieles oder kehrt den Besserwisser heraus. Er widersetzt sich allen Grenzen. Meistens sagt er einfach »Ja, Mama«, tut dann aber doch, was er will. Ein guter Lügner ist er noch nie gewesen, weil ihn sein Gewissen jedes Mal verrät. Ich glaube, er versucht dieses Gewissen zu ignorieren, weil es ihn in seiner freien Entfaltung behindert.
All das ist natürlich meine subjektive Perspektive, doch glaube ich, dass meine Schwester das meiste unterschreiben würde. Kasper ist im Grunde ein guter Junge. Es bedeutet ihm viel, gut angesehen zu sein, und anderen gegenüber ist er stets hilfsbereit. Inzwischen ist er eben durch und durch ein Teenager und erfährt am eigenen Leib die Folgen all dessen, was in seiner Kindheit nicht optimal gelaufen ist.
Meine Schwester hat mich vor allem angerufen, um erst mal Dampf ablassen zu können, damit sie nicht gleich explodiert, wenn Kasper zur Tür hereinkommt. Sie erklärte mir,
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