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Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht

Titel: Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesper Juul
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so eine Gratwanderung mache: Was heißt jetzt alleine, wie viel ist alleine?
    JUUL: Also alleine - es ist schwierig, über diese Begriffe zu reden. Für mich sieht es so aus, als ob sie in gewissem Sinne sehr einsam ist, und deshalb sollte man sie auch nicht immer alleine lassen. Aber das kommt auch darauf an, ob ich im selben Raum sein kann, nur als ein anderer Mensch, ohne Mutter zu spielen
oder zu sein. Das ist schwer. Aber es ist auch sehr deutlich, dass sie mit ihrer Stimme und ihrem Körper sagt: »Mutti, bleib weg.«
    MUTTER: Ja, das stimmt.
    JUUL: Es gibt eine alte Tradition zwischen Eltern und Kindern: Es gibt traditionellerweise nicht sehr viele Dialoge zwischen Eltern und Kindern. Es gibt Eltern, die ständig Fragen stellen über Kindergarten, Schule usw., und dann beantworten die Kinder diese Fragen die ersten sieben bis acht Jahre mit einer langen Geschichte und vielen Details, und dann hört es langsam auf. Dann ist es oft schwierig: Die Jugendlichen wollen zwar auch Kontakt haben, aber nicht länger Fragen beantworten! Denn Fragen beantworten heißt, man muss sich verwundbar machen. Fragen zu stellen heißt, man kann sich hinter seinen Fragen verstecken und ist nicht verwundbar. Und das ist nicht gleichwürdig. Oft sitzt man da mit einem 15-, 16-, 17-Jährigen und sagt: Mein Gott, aber wenn ich keine Fragen stellen darf, dann kriege ich ja überhaupt keine Informationen, was soll ich dann machen? Die Antwort ist: Dann muss man reden. Man muss sich vorstellen: Das ist jetzt nicht mein Kind, sondern meine gute Freundin oder mein Mann. Was würde ich heute meiner Freundin oder meinem Mann erzählen? Habe ich etwas erlebt, habe ich etwas gelesen, habe ich einen guten oder schlechten Tag gehabt? Aussagen statt Fragen. Und wenn man etwas aussagt, etwas formuliert, dann hört man automatisch auf, Mutter zu spielen, denn dann redet man über sich und seine Gedanken und seine Erlebnisse. Und hört auf zu sagen: »Du, du, du …« Dann ist es wie am Telefon, wenn es »du, du, du« macht, bedeutet das, es gibt keine Verbindung. Das wissen wir ja alle, daran erinnern wir uns nur nicht. Das ist etwas, was wir üben müssen, aber es ist auch die beste Möglichkeit, eine neue Beziehung aufzubauen. Denn offensichtlich ist die Beziehung zwischen euch beiden und eurer Tochter als Eltern-Kind-Beziehung vorbei. Die gibt es nicht mehr.

    MUTTER: Das macht es halt besonders schwierig, wenn das Kind dann wieder Kind wird. Das Hotel Mama usw. Wir haben ja schon alle Themen durch.
    JUUL: Ich bin 60 Jahre alt und benehme mich auch manchmal wie ein Siebenjähriger, das gehört nicht nur zu Jugendlichen. Es ist richtig, dass Jugendliche diese Mischung schaffen: »Jetzt musst du mit mir wie mit einem Erwachsenen reden, aber ich möchte mich wie ein Kind benehmen.« Diese Situation wird dann hoffentlich bald durch die Erfahrung der Eltern gerettet, denn das schaffen die Jugendlichen nicht immer selber. Aber das muss aufhören, und dann gibt es viele Möglichkeiten für neue Inhalte. Da bin ich ganz sicher. Aber dieses Spiel, und ich sage nicht Spiel, um es als oberflächlich zu bewerten, es ist vorbei. Lange bist du zu ihr gekommen und hast gesagt: »Hier sind die Vitamine«, und lange hat eure Tochter schon gesagt: »Nein danke, ich brauche keine«, und dann kommt natürlich die Erfahrung und du sagst: »Jeder braucht Vitamine.«
    MUTTER: Genau. Und das soll ich nicht sagen?
    JUUL: Nein, denn dann sagst du: »Nicht nur bin ich mit deinen Leistungen in der Schule unzufrieden, sondern ich denke, du bist auch ein bisschen unintelligent, darum sage ich jeden Tag dasselbe, damit ich es nicht vergesse.« Das geht nicht. Es kann sein, dass es eine Zeitlang ein bisschen leiser zu Hause wird. Aber es gibt ja Platz für etwas anderes. (Zur Tochter) Ich versuche im Moment, für dich zu sprechen. Wie ist das? Schaffe ich das oder nicht?
    TOCHTER: Ja, gut.
    JUUL: Du kannst mich korrigieren. Bin ich erfolgreich oder nur so halb?
    TOCHTER: Schon.
    JUUL (ZUR MUTTER): Das war die Übersetzung.
    MUTTER: Ja, ich denke, ich habe es schon verstanden. Es ist ja nicht ganz fremd. - Der Übergang ist halt das Schwierige.

    JUUL: Ja, in jeder Familie ist er verschieden. Und es tut ja weh in diesem Fall, wenn sich eure Tochter so deutlich verteidigt, denn man hat ja nicht das Gefühl, dass man sich im Angriff befindet.
    MUTTER: Ja, das verstehe ich, was du sagst.
    JUUL: Aber dieser Schmerz gehört zwischen euch beide Eltern, nicht zwischen Mutter und

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