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Puck

Puck

Titel: Puck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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von den silbernen Fäden. Sie schmeckten nicht besonders, aber es mußte doch etwas daran sein, wenn die Götter so damit angaben. Dann trabte er hinter Dora her in die Küche, wo es wunderbar nach Gänsebraten roch.
    Herrchen kam erst wieder, als der Abend schon dämmerte, und hatte, wie immer, wenn er aus dem Büro kam, eine Maske der Unruhe und Abwehr vor dem Gesicht. Sie schmolz erst, als Puck an ihm hochsprang und ihn ins Weihnachtszimmer führte, wo schon die mit weißen Tüchern bedeckten Gabentische aufgestellt waren.
    Schließlich kam der Heilige Abend mit dem Besuch von Schwager, Schwägerin und ihren beiden Töchtern, die sechs und acht Jahre alt waren. Die Kerzen am Baum brannten feierlich, das Radio spielte, und alle waren aufgeregt. Puck leitete den Abend festlich ein, indem er mitten auf dem Teppich im Weihnachtszimmer das Lametta wieder von sich gab, das er beim Baumschmücken gefressen hatte. Dann entdeckte er die Puppen, die die beiden Mädchen, Linde und Gertie, geschenkt bekommen hatten. Erst richtete er sich an Linde hoch, die ihre Schlafpuppe andächtig auszog und dann mit einem Nachthemd bekleidete. Als sie sie in den Puppenwagen gelegt hatte, klaute Puck sie. Er raste in Richtung Diele. Das Puppennachthemd flatterte um seinen Kopf, Linde brüllte, die Familie nahm die Verfolgung auf. Kaum hatte man ihm mit List und Mühe Lindes Puppe entrissen, als er die von Gertie klaute. Dora versuchte, ihm durch Angebot eines Bratenstückchens zur Aufgabe der geraubten Braut zu verlocken. Kein Erfolg. Gertie, ein energischer kleiner Proppen, hatte mehr Erfolg. Sie holte die Leine, klemmte sich Puck zwischen die Beine und verdrosch ihn aus Leibeskräften. Er war so verblüfft, daß er die Puppe losließ und eine ganze Weile verstört in der Küche blieb. Erst nach dem Essen erschien er wieder, vorbildlich manierlich. Er streichelte Gertie mit der Pfote und ließ sich geduldig einen Puppenhut umbinden. »Wir werden ihm einen Teddybären schicken«, verkündete die Schwägerin.
    Der Schwager und ich hatten uns zu Schnäpsen und Zigarren ins Nebenzimmer verzogen. »Tja«, sagte der Schwager, der in der Industrie tätig war, »es zieht sich was zusammen. Alle Betriebe laufen auf Hochtouren. Munition — Berge davon, Kanonen, Flugzeuge. Nicht genug, daß man wegen der Partei vor Angst dauernd nur noch auf dem Stuhlrand sitzt...«
    Wir schauten auf das friedliche Bild nebenan. Ein Gedanke geisterte durch mein in Zeitungsüberschriften denkendes Gehirn: Spätes Licht über dem Abgrund. »Ich kann’s mir nicht vorstellen«, sagte ich, »daß dieser Kerl durch einen Krieg alles aufs Spiel setzt, was er bisher erreicht hat.«
    Der Schwager betrachtete den Aschenkegel seiner Zigarre: »So reden viele. Aber ich fürchte, ihr werdet alle unrecht haben.« Er strich die Asche ab. »Vielleicht ist dies das letzte einigermaßen glückliche Weihnachten, das wir feiern.«

    Drei Tage später kam der Teddybär, ein Wesen, das aussah wie ein Hund oder auch wie das Tier mit den langen Ohren. Wenn man hineinbiß, quietschte es. Puck war außer sich. Es roch zwar nur nach Stoff, aber es sah aus wie etwas Lebendiges. Er biß so oft hinein, daß es schon am zweiten Tag nicht mehr quietschte, er warf es in die Luft, wälzte sich darauf, er kaute es so durch, daß es vor Spucke troff. Er nahm es mit in sein Körbchen und schlief damit ein. Er riß ihm zwanzigmal Arme und Beine aus, er öffnete ihm die Brust, daß die Sägespäne herausquollen, und trotzdem liebte er es heiß und innig und war jedesmal todunglücklich, bis die geduldige Dora mit Faden und Nadel den Schaden wieder behoben hatte.

    Währenddessen schritt das Jahr unmerklich weiter. Der Strom der Stunden floß durch Tage, die ganz langsam, aber stetig länger wurden.
    Der Frühling kam, der zweite in Pucks Leben mit uns. Es gab heiße Märztage, und es wurde schon wieder ungemütlich unter den Dächern im Innern der Stadt. Während Frauchen und ich im Wintergarten beim Frühstück saßen und auf die blühenden Forsythien sahen, erörterten wir wie jedes Jahr, wie gut es sei, daß man hier draußen wohnte, wenn man auch einen Wagen brauchte, um in die Stadt zu kommen.
    In diesem Augenblick quietschte draußen eine Bremse. Puck fuhr hoch, machte einen langen Hals, fegte dann, während seine Hinterbeine auf dem Parkett ausrutschten, unter das Sofa, holte seinen Ball und sauste zur Tür. Dort blieb er mit schiefgeneigtem Kopf stehen.
    »Dieses Quietschen kenne ich«, sagte

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