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Puck

Puck

Titel: Puck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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wieder heran. Die Sache mit dem Ball schien großen Eindruck auf Daisy gemacht zu haben, sie biß ihn nicht weg, sondern galoppierte nur auf dem Rasen herum, duckte sich, machte auf neckisch und dann flogen beide wie zwei weiße Pferde Seite an Seite dahin, in kunstvollen Kurven und Schwenkungen, manchmal so dicht, als seien sie an den Flanken zusammengewachsen. Mitten im Dahinfliegen legte Puck einmal seinen Hals über den ihren, Louis angelte verzweifelt nach seinem Zeichenblock. Bis er ihn fand, war das Bild schon wieder verändert. Die beiden hatten sich gegeneinander aufgerichtet und tanzten nun, den Kopf zurückgeworfen, die Mäuler weit offen, einen bacchantischen Liebestanz.
    Wir vier sahen schweigend zu. Lydia seufzte. »Ja«, sagte sie dann zum Frauchen, »das ist noch Liebe...«
    Frauchen nickte: »Kunstvoll aufgebaut: Vorspiel, Steigerung...« Dann sahen die beiden uns an.
    Louis stand auf: »Kommt, Herrschaften, ich glaube, wir bringen die beiden besser ‘rein.«
    Drinnen nahm Lydia ihre Daisy auf den Schoß, Puck richtete den schmalen Leib vor ihr auf, legte eine Pfote auf Daisys Kopf und küßte sie aufs Ohr. Ich fotografierte, Louis saß mit gekreuzten Beinen wie ein Türke und zeichnete. Dann sprang Daisy hinunter, jetzt küßten sie sich...
    Und dann vermählten sie sich.
    Neun Wochen verrannen. Es waren Wochen voller Schwierigkeiten und Krisen. Das Frühjahr war immer meine kritische Zeit, wo das Schicksal mir alles durcheinanderwarf. Meist entdeckte ich nachher, daß alles, was einfiel, falsch gebaut war. Aber zunächst kam ich mir jedesmal äußerst bedauernswert vor, und so hielt ich Puck lange Vorträge über die Undankbarkeit und Unsicherheit der Welt.
    Über alldem hatten wir seine Hochzeit völlig vergessen. Bis eines Morgens ein Brief auf dem Frühstückstisch lag in der Handschrift Küsters, die genauso kantig war wie er selbst und mehr gezeichnet als geschrieben:

    »Sehr verehrte Mit-Schwiegereltern!
    Wir beehren uns, Euch die Geburt von sechs kräftigen Kindern, zwei Rüden und vier Weibchen, anzuzeigen (zwei weitere waren tot), wobei wir nicht verfehlen möchten, darauf hinzuweisen, daß Euch als übliches Honorar für die Bemühungen Eures Puck (wiewohl auf seiner Seite ja nur das Vergnügen war) einer der beiden Rüden zur Verfügung steht. In Erwartung Eures baldigen Besuches, Eure sehr ergebenen Küsters.«

    Darunter eine Zeichnung: Daisy in einem runden Korb, rings umsteckt von ihrer Nachkommenschaft. Unten aus dem Korb heraus rann eine große Pfütze.
    »Wir fahren gleich hin!« sagte die Gefährtin.
    Aber ich war an diesem Morgen knurrig: »Du weißt, daß das unmöglich ist. Wir brauchen jede Minute und können uns nicht mit solch sentimentalen Kinkerlitzchen abgeben. Gelegentlich mal — bitte, ruf Küsters an, daß wir im Augenblick sehr beschäftigt sind.«
    Die Krise hatte es diesmal in sich. Der Verlag hatte sich unter dem immer schwereren Druck der Diktatur in ein Höllennest von Intrigen verwandelt. Ich mußte Leute einladen, die ich nicht leiden konnte, und kam jedesmal tief deprimiert aus dem Verlag nach Hause. Die Gefährtin beobachtete mich immer besorgter. Ich versuchte es ihr zu erklären: »Stell dir vor, du gehst durch eine Talmulde, die mit einem unsichtbaren Giftgas gefüllt ist. So ist es jetzt im Verlag. Die Hälfte der Zeit stehen sie auf den Gängen, flüstern in den Ecken und intrigieren. Ein komplettes Narrenhaus.«
    Sie gab sich rührende Mühe, sie besorgte mir Scampi und Salami, alles, was ich gern esse, meine Lieblingszigarren, meinen Lieblingsschnaps. Puck legte sich jeden Abend auf meinen Schoß, wenn ich in meinem Sorgenstuhl am Radio saß, er wich mir auf Schritt und Tritt nicht von der Seite und überließ mir sogar mit einigem Zögern seinen Teddybär zum Spielen. Aber all das konnte mich nicht trösten. Ich hatte mein Leben lang Angst vor Arbeitslosigkeit und Hunger gehabt und verfiel in den schwärzesten Pessimismus, sobald sich einmal der Weg verengte. Ich überlegte mir, was von unseren Sachen ich zuerst verkaufen würde, woher ich das Futter für Puck nehmen wollte, und beneidete den Briefträger, der fest mit Pensionsanspruch angestellt war — Und dann, nach fünf Wochen, schlug mein Geschick ins Positive um. Nun kam wieder alles andersherum und auf einen Haufen. Der Himmel war wieder klar. Dort für die kahle Ecke auf dem Parkett, dafür könnte man eigentlich noch eine Perserbrücke kaufen! Es klingelte, der Briefträger. Lieber

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