Puck
Insel knirschte, watschelte das Lohengrin-Fahrzeug mit seinen dunklen breiten Schwimmfüßen an Land. Puck war mit einem Satz im Gras verschwunden. Von dorther sah ich seinen Struppelkopf leuchten, wie er aufmerksam das Verhalten seiner Götter angesichts der weißen Gefahr beobachtete.
Zunächst versuchte ich, mich mit ihr — der Gefahr auf guten Fuß zu stellen. Mit ausgestreckter Hand ging ich auf den Schwan zu: »Na, komm her, sei brav, Jungchen.«
Jungchen fauchte mich an, biß kräftig zu und machte alle Anstrengungen, mir den Finger auszureißen. Ich sprang wütend zum Boot — wütend besonders auch deshalb, weil sich die Gefährtin, bar jeder Anteilnahme, vor Lachen ausschüttete — und griff mir ein Ruder: »So haben wir nicht gewettet, Bruder. Ich werde dir mal ‘n bißchen aufs Gedächtnis tippen.«
»Das läßt du besser bleiben«, sagte die Gefährtin. »Siehst du denn nicht, daß er mit mir spielen will.«
»Finde ich ausgesprochen rührend. Und mit wem spiele ich?«
»Mit Puck natürlich. Ihr beiden Männer verschwindet mal. Ihr seid völlig überflüssig.«
Ich nahm das Ruder mit: »Also schön, wie du willst. Wenn er dich erst mal in den Finger gebissen hat, wirst du anders von deinem Verehrer denken, Leda!«
Der Verehrer aber dachte gar nicht ans Beißen. Er erkletterte, wie ich mit Erstaunen sah, mit beträchtlicher Mühe das Boot und begann, die Gefährtin ganz zart abzutupfen, Gesicht, Arme, Hände.
Puck und ich sahen uns an: »Weiber!« sagte ich verächtlich. Puck nahm sich einen Ast und versuchte mich damit landeinwärts zu locken.
»Also, dann viel Vergnügen, Leda!« rief ich und folgte ihm. Wir spielten eine Weile, aber es war nicht so schön wie sonst. »Komm«, sagte ich, »ich glaube, wir müssen wenigstens mal nachsehen, was er von ihr übriggelassen hat.«
Als ich aber aus dem Gebüsch wieder ans Ufer trat, war die Situation durchaus idyllisch, um nicht zu sagen, familiär. Der Riesenvogel hatte es sich auf der Holzbank des Bootes gemütlich gemacht, nuckelte an seiner Schwanzdrüse und begann dann, sein Gefieder einzufetten. Puck knurrte.
»Fehlt nur noch«, sagte ich zu ihm, »daß der Kerl einen Taschenspiegel ‘rausholt und sich einen Scheitel zieht.«
Die Gefährtin wühlte im Frühstückskorb und fing an, das Untier zu füttern. Ganz zart nahm es ihr die Brocken ab, tunkte sie ins Wasser und schluckte sie hinunter. Deutlich sah ich mein Frühstück in seinem langen Hals hinunterrutschen und im Laderaum verschwinden.
»Bist du wahnsinnig?« rief ich. »Mein zweites Frühstück!«
Die Gefährtin blickte verklärt auf: »Ist das nicht ein wunderbares Erlebnis?«
»Wunderbar. Und wie denkst du dir die Fortsetzung?«
Sie reichte dem Strolch ein weiteres Stück Brot: »Ei — schau doch mal — was ich hier habe!« Das Lohengrin-Gefährt nahm den Bissen, ließ ihn aber im Wasser davontreiben. Ich glaube, er hätte gerülpst, wenn er das gekonnt hätte. Er breitete die Schwingen aus, sprang ins Wasser und trank ausführlich, mit einem Genuß, als sei es Sekt. Dann schwamm er ein paar Meter weiter hinaus, reckte den Stiez in die Höhe und begann zu gründeln. Leda sah ihm verzückt zu.
»Möchtest du nicht zu uns kommen?« fragte ich. »Du siehst doch, daß er satt ist.« Mit ein paar großen Schritten war ich am Ufer und zog das Boot noch weiter auf den Strand. Leda kletterte sichtlich unwillig an Land: »Daß ihr einen nie ruhig genießen lassen könnt!«
»Bisher hast du, wenn ich mich richtig erinnere, die Insel auch ohne mythologisches Beiwerk sehr intensiv genossen.«
Sie sah mich ziemlich unmutig an, ebenso Puck, der zu meinen Füßen saß, das Köpfchen schief geneigt, mit dem Schwanz die Erde kehrend. Plötzlich brach sie in Lachen aus: »Wie ihr beide dasitzt!« Damit rannte sie uns voraus dem Innern der Insel zu. Dort verspeisten wir den Rest des Frühstücks, legten uns ins Gras, Puck revidierte alle Büsche, eine große, goldgrüne Libelle setzte sich auf den Arm der Gefährtin, wippte erst argwöhnisch mit den Flügeln, knickte dann beruhigt die Beine ein, ließ die Flügel sinken und fing an, sich mit den Vorderbeinen den Kopf abzuschrauben. Der Himmel war hoch und tiefblau, mit ein paar festen, weißen Wolken darin, von Land her brüllte ruhevoll eine Kuh, ganz von fern pfiff die Lokomotive der Kreisbahn.
»Schön...«, sagte die Gefährtin.
»Ja, schön. Bereust du’s?«
»Nicht im geringsten. Ich möchte es gegen nichts anderes eintauschen.
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