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Puck

Puck

Titel: Puck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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stutzte er. Der Harem stellte die Ohren nach vom, und dann bog der Hirsch in einem leichten, federnden Trab seitwärts ins Dickicht. Die Damen folgten gehorsam. Puck bellte hinter ihnen her.
    Die Gefährtin stand mit offenem Mund auf dem Pfad: »Also — was sagst du bloß?«
    »Ich glaube, es ist ganz ungewöhnlich, daß ein Hirsch schon jetzt mit seinen Weibern geht.«
    »Oh — was das betrifft —, welcher Mann hält sich da an irgendwelche Regeln?«
    Ich beendete hastig das Thema: »Und mein Fotoapparat liegt natürlich im Haus!«
    Zum Abendessen gab es Rührei mit Spinat. Ich spendierte eine Flasche Korn. Wir saßen mit der Familie Häfner zusammen. Der Alte meinte: »Sie sind doch von der Zeitung — gibt’s Krieg?«
    Seine verarbeitete, schwarzbraune Hand war so groß, daß der mächtige Schnapsstampen darin ganz klein erschien.
    »Auf keinen Fall«, erklärte ich. Er zuckte schwer die Achseln. Ich sehe uns noch heute alle: Tochter und Sohn, die sich bald drückten, Mutter Häfner mit einem Strickstrumpf, Puckchen zusammengerollt auf dem alten Wachstuch-Sofa schnarchend. Nachher gingen wir noch in die warme Sommernacht und sahen uns die großen Steme an. Es roch nach Heu und Kuh. Die Welt war wunderbar.

    Die Sonne schien mir, als ich am nächsten Morgen aufwachte, schon hell ins Gesicht. Puck, auf dem Bettvorleger, saß mit gespitzten Ohren und schiefem Kopf. Draußen war allerhand los. Schritte, Rufe, Hü und Hott. Das ganze Dorf schien auf den Beinen. Ich zog mich an und ging hinaus. Vor der Tür traf ich Vater Häfner, Er nickte mir schwer zu: »Leider hatten Sie nicht recht gestern. Oder durften Sie nicht reden?«
    »Worüber — was ist denn los?«
    »Mobilmachung. Sie holen schon die Pferde. Es ist Krieg.«
    Er sah mich prüfend an, ging dann ins Wohnzimmer, kam mit der Kornflasche zurück: »Hier, zum Abgewöhnen. Ich glaube, Sie können’s brauchen.«

Finsternis

    Als wir mit dem letzten Benzin zurückkamen, fanden wir ein verändertes Berlin vor. Die Riesenstadt lag in Verdunklung. Mit unheimlicher Präzision war jegliches Licht auf ein Minimum reduziert worden. Sogar die Taschenlampen zeigten blaues Licht. Die Straßen waren ziemlich leer, bis auf die Luftschutzwarte, deren Rufe »Licht aus — Licht aus!« an den finsteren Fassaden widerhallten. Der Angstschweiß lief mir von der Stirn, während ich Boxi durch die Dunkelheit dem Heim zusteuerte. Jeden Augenblick fürchtete ich einen schreienden Menschen unter den Rädern zu haben. Puck saß hochgereckt auf Frauchens Schoß und zitterte mit dem linken Vorderbein. Die Finsternis schien ihn zu erregen.
    Daheim hielten wir eine hastige Konferenz ab.
    »Hör zu«, sagte ich, »die Sache mit Polen werden sie ihm nicht durchgehen lassen. Wir werden Krieg bekommen, das glaube ich jetzt auch. Dieser Krieg wird bei der Masse der Vernichtungsmittel auf beiden Seiten schrecklich, aber relativ kurz sein. Am Ende wird es Hunger geben. Also müssen wir Zusehen, daß wir noch soviel Zeug wie nur möglich zusammenkaufen. Dazu wiederum ist nötig, daß wir Benzin ergattern, solange sie den Wagen noch nicht beschlagnahmt haben. Gott sei Dank hat unser Block ja eine eigene Tankstelle, und unsern Meier mußt du becircen — auch seine Frau, auf die hört er.«
    So machte sich denn Frauchen ans Becircen, eine Sache, die ihr ausgesprochen lag. Noch in der Nacht bekam ich den Tank bis zum Rand gefüllt. Das langte, um eine ganze Woche kreuz und quer zu fahren. Unser Bankkonto leerte sich ruckartig, während sich zu Hause die Vorräte stapelten. Besonders machte uns Puckchens Zukunft Sorge. Reis und Hundekuchen holte Frauchen aus den entferntesten Ecken der Stadt. Mit Blitzesschnelle entstanden weibliche Teams, die alle denkbaren und undenkbaren Adressen untereinander tauschten. Dann waren Geld und Benzin verbraucht, und außerdem mußte der Wagen stillgelegt werden. Es kamen Leute mit einem Formular, die bockten ihn in seiner Garage auf und montierten ihm die Räder ab. Ich war froh, daß ich ihn wenigstens behielt, weil er acht Jahre alt und eine ausgefallene Type war. Die meisten Freunde waren nicht so glücklich. Ihre Wagen wurden beschlagnahmt, umgespritzt und fuhren irgendwelchen dunklen Abenteuern entgegen, von denen sie niemals wiederkehrten.
    Lebensmittelkarten wurden eingeführt, Karten für alles, von Brot bis Seife, von Stoff bis zur Kohle. Die Organisation des Unheils arbeitete mit teuflischer Präzision. Die wenigen nicht eingezogenen Männer des Blockes

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