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Puck

Puck

Titel: Puck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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sie meine Gedanken gelesen.
    Dann vergingen Wochen, Monate, in denen der Krieg ein Gewitter blieb, das da irgendwo fern am Horizont grollte, die Schwelle unseres Lebens aber niemals überschritt. Es folgte die unheimliche Zeit, in der sich nach der Niederwerfung Polens die Gegner im Westen in gespenstischer Untätigkeit gegenüberlagen. Unser Privatleben war dementsprechend zur Routine erstarrt, zu einer Balance des Ungeheuerlichen: Redaktion, davor Spaziergang mit Puck. Späte Heimkehr, wiedersehen mit Puck und letzter Marsch um den Block. Nachtruhe, in der doch irgend etwas in einem wach blieb, horchte und wartete. Ich entsinne mich, daß ich mich eines Nachts an sein Körbchen setzte. Als ich das Licht anknipste, wachte er auf. »Weißt du«, sagte ich, »wenn man’s genau ansieht, schwenken wir immer mehr auf deine Linie ein. Du schläfst ja auch immer nur mit einem Auge und auf einem Ohr. Das übrige bleibt wach.«
    Puck hatte bis dahin nur mit einem Auge sein Herrchen beobachtet, das da aus unerfindlichen Gründen im Pyjama auf dem Rand der Badewanne hockte. Jetzt stand er auf, kam zu mir, riß gähnend das Maul auf, legte dann seinen Kopf in meine Hand. Seine Nase war heiß und trocken, und einen Moment schien mir bedenklich, ob er nicht krank sei. Dann beruhigte ich mich wieder: Sicher handelte es sich nur um die Wärme des Schlafes: »Na, schlaf schön weiter. Du kannst ja Gott sei Dank in jedem unwichtigen Augenblick schlafen. Auch das sollten wir lernen.«
    Und dann kam wieder einmal der Augenblick, in dem die Dämonen von den Dächern und Türmen heulten. »Sollen wir aufstehen und ‘runtergehen?« rief mit schlaftrunkener Stimme die Gefährtin.
    »Na, gehen wir schon. Man soll nicht auffallen. Grundregel beim Kommiß und besondere Grundregel für uns, wo schon viel zu viele wissen, daß wir nicht dafür sind.«
    Da klopfte Meier bereits gegen die Tür: »Los, Leute, Alarm!«
    »Was Sie nicht sagen.«
    »Bitte Beeilung!«
    Die Gefährtin nahm den Koffer, ich nahm Puck. Der Keller war diesmal besonders voll. Es gab eine Menge Leute aus dem Block, die wir gar nicht kannten, und mehr als ein Dutzend Kinder, denen die Eltern Spielsachen mit hinuntergenommen hatten. Puck interessierte sich gleich für eine Puppe und klaute sie aus dem Puppenwagen. Die Besitzerin, etwas ungefähr Sechsjähriges mit kurzen, dicken und beschleiften Zöpfen, plärrte los. Ich riß Puck die Puppe aus den Zähnen, strich ihre nachgekaute Perücke zurecht und gab sie der Eigentümerin zurück: »Es ist ja nichts passiert, mein Kleines.«
    »Hunde gehören überhaupt nicht in den Keller!« sagte die Mutter, eine mir ganz fremde Frau. »Ja, der Hund muß ‘raus!« stimmte der Chor der ebenso Unbekannten ein. Die Bekannten, die hundertmal mit Puck gespielt und sich an seiner artigen Ritterlichkeit erfreut hatten, schwiegen verschüchtert. Ich war ihnen nicht böse. Man konnte ja nie wissen, was dieses Weib oder ihr Mann waren. Vielleicht irgendwas Hohes in der Partei. Aber in meinem Herzen waren Bitternis und Enttäuschung.
    »Nun bringen Sie ihn schon ‘rauf«, sagte Meier.
    »Geh’ ja schon.«
    Ich klemmte mir Puck unter den Arm und ging nach oben in die Wohnung. Und gerade, als ich in die Diele trat, begann die Flak zu schießen. Erst ganz fern, aber bald auch nah. In den rollenden Donner mischten sich die harten, metallisch klingenden Abschüsse der Eisenbahnflak, die irgendwo in der Nähe stehen mußte und von deren Existenz ich bisher nur durch Gerüchte gehört hatte. Puck wand sich in meinem Arm. Das war ja viel schlimmer als das schlimmste Gewitter!
    Ich setzte ihn nieder, aber nun wußte er nicht, was er anfangen sollte. Ratlos blickte er in den Ankleideraum, trabte, am ganzen Körper schlotternd, in die Küche. Ich hinterher, bot ihm einen Hundekuchen an. Er beachtete ihn gar nicht. Ich warf ihm sein Bällchen hin. Höflich nahm er es einen Augenblick, dann ließ er es aus der Schnauze fallen. Währenddessen war draußen ein neues Geräusch. Es klang wie Hagel, schlug manchmal ping-ping auf die metallenen Fensterbretter, Flaksplitter, wie ich am nächsten Tag feststellte. Ich packte Puck, stieg angezogen mit ihm in mein Bett, zog ihm die Decke über den Kopf. Er mochte es nicht, versuchte mit allen Mitteln, sich zu befreien. Ich aber war diesmal energisch und hielt ihn unter der Decke, bis sein Zittern nachließ und er langsam tief zu atmen begann. Nach einer Weile wagte ich es, mich von seiner Seite zu stehlen. Leise

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