Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Puck

Puck

Titel: Puck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
Vom Netzwerk:
zog ich die Jalousie hoch und schaute hinaus. In der Nacht stand ein ganzer Dom von Scheinwerfern, die sich hoch oben kreuzten. In diesem Kreuzungspunkt schwebte etwas silberhell, wie eine Motte. Dann war es plötzlich weg. Bald darauf kam Entwarnung. Am Horizont blieb für eine Weile ein breiter Schein. Ein Holzlager sei getroffen, hieß es am nächsten Tag. Aber man wußte ja nie, ob das stimmte.
    Im Treppenhaus großes Gestampfe, Stimmen. Frauchen kam mit ihrem Koffer herein: »Diese unverschämte Person! Und Meier hat sich natürlich gleich in die Hosen gemacht!«
    »Es ist seine Pflicht, sich in die Hosen zu machen«, sagte ich. »Jedenfalls war das das letztemal, daß ich in den Keller gegangen bin.«
    »Ich auch!«
    »Dann wollen wir versuchen, daß wir noch etwas schlafen.«
    Erst später wurde uns klar, daß wir in dieser Nacht die Fäden, die uns mit der sogenannten Hausgemeinschaft verbanden, durchschnitten haben. Objektiv betrachtet, mochten die anderen recht haben, denn niemand konnte Voraussagen, wie sich ein Hund im Zustand der Panik verhalten würde. Aber die heilige Unvernunft der Liebe setzte sich in uns über all das hinweg.
    Es gab von jetzt an viele solcher Alarme, beinahe Nacht für Nacht. Offenbar waren sie darauf angelegt, die Nerven der Bevölkerung zu zermürben. Einige wenige Bomber flogen an, warfen einige wenige Bomben in langen Abständen, hielten die Menschen halbe Nächte lang in den Kellern. Die Nerven wurden denn auch mürbe, und es kam zu Reibereien, heftigen Auftritten.
    Wir kümmerten uns nicht darum. Manchmal standen wir überhaupt nicht mehr auf. Ich ging dann nur ins Bad, wo Puck zitternd in seinem Körbchen saß, holte ihn ins Bett. Ungefähr nach dem zwanzigsten Angriff zitterte er nicht mehr unter meiner Decke, sondern schlief für immer längere Zeiträume genau wie ich. Erst das Stampfen und dumpfe Brabbeln der Menschen, die aus dem Keller kamen, weckte uns für Augenblicke, später oft nicht einmal das.
    An den Morgen nach den Alarmen sammelte ich Flaksplitter. Es waren ganz schöne Brocken darunter. Puck beroch sie angewidert, das eine Pfötchen hochgehoben. Bald gab ich auch die Splittersammelei auf.
    Viel größere Sorge bereitete uns die Ernährung Pucks. Bei der Ausgabe der Lebensmittelkarten für die Menschen hatte man natürlich die Hunde, der Menschen beste Freunde, vergessen.
    Das Frauchen hatte sich mit der Fleischersfrau angefreundet und untermauerte diese Freundschaft mit dauernden Geschenken. Manchmal sah ich sie eine Rolle neuen Stoff aus dem Schrank nehmen, und manchmal fehlte irgend etwas aus der Vitrine. Dafür bekam Puck Fleischabfälle. Oft standen wir dabei, wenn er sein bescheidenes Mahl manierlich zu sich nahm, und überlegten, wovon wir uns noch trennen konnten, um ihn nicht hungern zu lassen. Frauchen seufzte dann wohl: »Du hast mir gesagt, es wird ein schneller Krieg. Statt dessen hat dieser Verbrecher jetzt mit Rußland angefangen. Mit Rußland! Ja, Puckchen, nun gibt’s nichts mehr. Hier, sieh mal — dein Bällchen!«
    »Ich werde zu meiner Cousine Vicky radeln«, erklärte ich verbissen. »Sie hat mir erzählt, daß sie heute >hintenrum< Koteletts bekommen haben. Ruf sie an, daß sie uns die Knochen aufhebt.«
    »Aber dafür radelst du wenigstens anderthalb Stunden!«
    »Weiß ich.«
    »Und die Redaktion?«
    »Muß eben warten. Ich werde ihnen irgendwas erzählen...«

Die Flammen

    Und dann kam jener 1. März 1943. Ich glaube, es war so gegen acht Uhr abends, als es klingelte. Ich hatte meinen freien Abend und saß mit der Gefährtin vorm Radio. Jeder wußte vom andern, daß sein Herz wild zu schlagen begann. Wer konnte das sein? Puck, der in seinem >Abendsessel< gelegen hatte, sprang hinunter, tippelte zur Tür, schnüffelte und knurrte dann.
    »Es ist ein Fremder«, sagte die Gefährtin.
    Ich holte tief Atem: »Bleib sitzen, ich mache auf. Und stell um Gottes willen von England auf den Deutschlandsender um!« Ich pfiff, während ich zur Tür ging. Mein Gepfeife war ziemlich zittrig. Im ungewissen Schein der abgeblendeten Treppenhausbeleuchtung stand ein großer hagerer Mann mit Schlapphut, den ich zunächst gar nicht erkannte.
    »Grüß dich, altes Scheißhäusle«, sagte er.
    Puck beschnupperte ihn und sprang an ihm hoch, als der andere mit geübtem Griff seinen Kopf umspannte.
    »Ja — Karl«, sagte ich, »komm ‘rein, alte Tüffe, mich laust der Affe!«
    Karl war ein uralter Bekannter, den man gleich zu Beginn der Nazizeit wegen

Weitere Kostenlose Bücher