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Puck

Puck

Titel: Puck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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aufglitzerte. Dieses Blenden war es, das empfand ich dumpf, was so besonders müde machte. Dann, ganz von fern, kämpfte sich ein Gedanke zu mir durch. Er kam daher wie ein kleines Schiff mit weißen Segeln, das riesige dunkle Wellen immer wieder zurückwarfen. Endlich war dieser Gedanke bei mir: Er darf nicht hier im Schnee sitzen, der Puck, sonst holt er sich was an den Nieren. Und was wurde überhaupt aus ihm, wenn wir hier einschliefen — für immer?
    Ich fühlte, wie ein furchtbarer Kampf in mir ausbrach. Aber schließlich zogen sich meine Beinmuskeln langsam zusammen: »Ein Pudding bist du!« sagte eine Stimme in mein schon ganz verdunkeltes Bewußtsein. »Ein wabbliger, lächerlicher Pudding! Solltest dich schämen und dir ein Beispiel nehmen an deinem kleinen Hund! Hat er aufgegeben, als er damals in der Fuchshöhle saß? Denkst du an die Ameisen in seinen Ohren und seinem After, an seine jammervollen, blutig gerissenen Krallen und seine vereiterten Augen? Und doch überstand er das und die Einsamkeit des grauenvollen Todes, der immer schwerer auf ihn niederdrückte. Und doch gab er nicht auf! Mußt du dich nicht erhalten — und sei es nur für ihn?«
    Der Sog ließ nach, schien sich wieder in die tiefverschneite Erde zurückzuziehen, die schimmernden Traumgipfel wichen zurück. Ich stand auf, mit einem Gefühl, als gelte es, zwei Zentner Blei zu heben. Die Gefährtin saß zu meinen Füßen, die Augen geschlossen, lächelnden Mundes. Ich schüttelte sie. Ihr Kopf schlenkerte hin und her. Unbarmherzig riß ich sie hoch, rüttelte sie: »Aufwachen — aufwachen — he!«
    Schließlich öffnete sie die Augen: »Ja — was ist?«
    »Wir müssen uns das Nickerchen bis zu Haus aufheben. Weiter! Sonst erkältet sich der Puck!«
    »Er — kältet — sich — der Puck — « Sie schien die Worte von einer Tafel abzulesen und seufzte dann: »Ach — ich dachte...«
    Puck sauste voraus, kam wieder zurück, kläffte aufmunternd.
    »Wie steht es denn?« fragte sie nach einer Weile, während wir vorwärts stampften. »Du hast doch heute morgen Radio gehört.«
    »Ich glaube, es geht jetzt schnell dem Ende zu. Und denke daran, wie es den armen Menschen in den Städten geht. Wir hier mit Puck in dieser Zauberwelt...«
    »Ich will ja gar nicht undankbar sein. Aber gerade in solcher Welt hungert sich’s besonders schwer.«
    »Sie hungern ringsum, in Frankreich, Holland, Norwegen.«
    »Tröstet dich das?«
    »Es hilft wenigstens ein bißchen. Und morgen gehe ich los! Irgendwas werde ich schon ergattern, und wenn ich’s stehlen müßte. Sie haben Arsenale von Schinken und Würsten in ihren Kellern, die Bauern, ich weiß es. Das darf einfach nicht so bleiben, daß sie uns vor ihren Türen verhungern lassen.«
    »Was willst du denn tun?«
    »Irgendwas wird mir schon einfallen.«
    Eine kleine, geschlagene Armee, so kehrten wir zur Frau Professor zurück und berichteten. Ihre alten, blassen Augen wurden feucht, während sie die Gefährtin streichelte. »Ich kann euch noch etwas Haferschleimsuppe geben«, sagte sie. In diesem Augenblick bemerkte ich, daß die große Türkisbrosche fehlte, die sie sonst immer an ihrer schwarzen Seidenbluse trug. Als sie sich setzte, sprang Puck auf ihren Schoß. Sie streichelte ihn: »Ihr mögt es mir glauben oder nicht, aber wenn der kleine Kerl hier nicht wäre...« Sie brach ab, sah mich dann an: »Im Bahnhofslokal unten gibt’s viel mehr auf Marken, wenn man entsprechend zahlt oder tauscht. Aber das werden Sie ja nicht können, Sie haben doch letzten Monat kein Gehalt mehr bekommen. Ich kriege schon seit zwei Monaten meine Pension nicht mehr. Zu tauschen haben wir auch nichts mehr.«
    »Ich habe noch Geld!« sagte ich.
    Sie sah mich mitleidig an: »So viel bestimmt nicht, wie Sie dafür brauchten. Aber es gibt da auch etwas ohne Marken, ein sogenanntes Stammgericht. Im wesentlichen heißes Wasser mit ein paar Fettaugen von den abgewaschenen Tellern. Aber es füllt.«
    »Das wußte ich nicht! Eine großartige Idee! Ich gehe morgen sowieso hinunter. Vielen Dank!«
    »Probieren Sie’s erst mal.«
    »Auf jeden Fall«, sagte Frauchen, »holst du jetzt unser Geld, und das teilen wir durch drei!«

Stammgericht

    Am nächsten Tag, gegen Mittag, machten Puck und ich uns in Richtung Bahnhof auf. Ich trug eine große Blechkanne, für alle Fälle. Unser Weg führte am Alois-Hof vorbei. Vor dem Haus gegenüber herrschte Betrieb. Aus einem Lastwagen schaffte man Möbel und Teppiche hinein, und außerdem

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