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Pulphead

Pulphead

Titel: Pulphead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Jeremiah Sullivan
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Erde in einem Sichertrog Musik in seinen Ohren sei. Des Jean wollte mir den Mann vorstellen, also besuchten wir ihn. Unterwegs erzählte mir Des Jean die Geschichte des Lieblingsplatzes dieser Familie, Walnut Rockhouse. Über ein Jahrzehnt hatten sie ihn recht regelmäßig geplündert. »Wenn sie den Ort in Frieden gelassen hätten«, sagte Des Jean, »dann wäre er jetzt Unterrichtsmaterial für Doktoranden.« Sie waren in ungewöhnlich intakte Schichten der Früharchaik, fast sogar ins Paläoindianische vorgedrungen. Eine von ihnen ausgeräumte und zerstörte Grabstätte war nach Des Jeans Schätzung auf Grundlage der Fakten und der Rückschlüsse, die er aus der Sammlung des Sohns gezogen hatte, mindestens 8000 Jahre alt, wahrscheinlich sogar noch älter.
    Der Sohn erwartete uns an der Tür eines bescheidenen Holzhauses auf einem Stück Land irgendwo in der Pampa. Er zeigte uns seine Maultiere und seinen Hund, der Maultiergröße hatte. Er war kerngesund. Er hatte graues Haar, aber einen irgendwie jungenhaften Haarschnitt. Er trug eine Brille und sprach sehr laut. Er redete ununterbrochen. Er übertönte einen, aber nicht auf unhöfliche Art, sondern eher wie ein Schwerhöriger. Auf den alten Fotos, die ich von ihm gesehen hatte, trug er einen Bart, zum Beispiel gab es eins, das ihn in einem Teich zeigte, bei minus dreißig Grad, sein Motorrad neben ihm auf dem Eis geparkt. »Niemand wollte mitkommen und das Foto machen«, sagte er. »Ich musste es selbst aufnehmen.« Jetzt war er nicht mehr so wild und verrückt; bei einem Motorradunfall hatte er sich den Rücken verletzt – er hatte sogar eine Reihe von Artefakten verkaufen müssen, um die Arztrechnungen zu bezahlen –, aber er schien immer noch glücklich und stolz, seinen riesigen Waffentresor für uns zu öffnen und uns ein paar Dinge zu zeigen, von denen er sich nicht hatte trennen können. Des Jean hatte ihm zugesagt, dass ich seinen
Namen nicht verwenden würde, deshalb fing er sofort an, von Grabstätten zu reden – das war es, was ihn begeisterte. Des Jean hatte mir vorher erklärt, dass es in der Plündererszene der Appalachen eine Untergruppe mit einem Faible für prähistorische Knochen gebe. Er erzählte mir die Geschichte eines Mannes aus Huntsville, Tennessee, der sich, laut Des Jean, neben ein »vollständig aufgegliedertes Skelett einer geschätzt etwa vierundzwanzigjährigen Frau gelegt hatte – sie war in der späten Woodland-Epoche bestattet worden, was sie ungefähr 1200 Jahre alt machte. Seine Frau hatte ihn mit dem Skelett fotografiert, und die beiden hatten die Bilder verteilt. Jemand hatte ihn beim Sheriff angezeigt. ›Kriege ich meine Knochen zurück?‹, schrie der Kerl, als man ihn in Handschellen hinten ins Auto verfrachtete.«
    »Das stammt aus einem Grab«, sagte der Sohn, seine Augen warteten auf meine Reaktion. »Ein Kind und zwei Erwachsene.« Er legte mir eine Perlenkette in die Hand. Jede Perle war aus dem Inneren eines Meeresschneckenhauses gemacht, wo die Windung dick genug für eine Perle ist. »Man kann sehen, wo die Leiche sie angefressen hat«, sagte er. Die anderen Muschelketten seien im Haus seiner Mutter.
    Als ich auf dem Sofa in seinem Wohnzimmer saß, kam er plötzlich hereingerannt und rollte einen Chunkey-Stein über den Teppich in meine Richtung. Er war sagenhaft (Chunkey war ein Spiel – eine dynamische Variante von Curling, bei der es manchmal Tote gab –, das im prähistorischen und sogar im historischen Südosten überall gespielt wurde; es hatte rituelle Aspekte; es hatte mit Krieg zu tun.)
    »Damit haben sie gespielt«, sagte der Sohn.
    Er reichte mir noch einen seltsamen dunklen Stein. »Jetzt sehen Sie sich das an«, sagte er. »Den habe ich in einem Grab gefunden. Ein Meteorit. Den kriegt man noch nicht mal mit 'ner Metallsäge durch.«
    Er zeigte mir eine papierdünne Pfeilspitze, die man wohl bei
zeremoniellen Anlässen verwendet hatte. »Unglaublich, wie dünn er das gekriegt hat, oder?«, sagte er. Irgendwann holte er Pfeilspitzen aus einer Sockenschublade, während Des Jean und ich in seinem unfertigen Gästeschlafzimmer standen und zuhörten. An einem Tag, »meinem besten Tag«, hatte er siebenundfünfzig Stücke rausgeholt, »an einem einzigen Schürftag. Und ich nehme nichts, was gebrochen oder rissig ist.«
    Er sagte: »Wenn du erst mal die Asche erreicht hast, gräbt es sich leichter als im Sand.«
    Er sagte: »Der Neffe meiner Exfrau ist bei mir eingebrochen und hat alle Pfeile,

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