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Pulphead

Pulphead

Titel: Pulphead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Jeremiah Sullivan
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Beispiel der Spiro Mound in Oklahoma, am westlichen Rand des Death-Cult-Gebietes. Die Mühlen der SECC -Arbeitsgruppe verdanken Spiro wohl mehr Material und ikonografisches Mahlgut als jedem anderen Fundort, und einen Großteil der Informationen haben wir ausschließlich aus Interviews mit Plünderern. Diese Interviews wurden noch nicht einmal von
einem Anthropologen geführt, sondern von einem Banker aus Missouri namens Henry Hamilton. Bei einem Besuch vor Ort bemerkte er schnell, was dort vor sich ging. Sechs Männer hatten einfach ein Unternehmen gegründet und es als Bergbaufirma deklariert – jetzt holten sie Tag und Nacht und schubkarrenweise das Material aus dem Mound-Komplex heraus. Ohne Notizen, ohne Fotos. Sie hatten einen Zwischenhändler gefunden, der die Fundstücke über das ganze Land verteilte. Viele wurden angeblich nach Frankreich verkauft. Während er den Männern zuhörte, begriff Hamilton, dass sie außergewöhnliche Dinge gesehen hatten, die man trotz ihres unwiederbringlichen Verschwindens zumindest beschreiben konnte. Er schaffte es, die vier Digger dazu zu bewegen, mit ihm zu sprechen. Sie erzählten, wie sie sich in das Herz des größten Mounds gegraben und dort eine Kammer aus Baumstämmen gefunden hatten. Sie hatten die Stämme herausgeschafft und verbrannt. Die Kammer war allerdings leer und trocken. Als sie in den Raum eindrangen, blies ihnen kühle Luft ins Gesicht. Sie fanden Altäre voller Perlen und Figuren von weiblichen Körpern. An den Wänden waren Meeresschneckenhäuser in Mustern angeordnet. Dieser kleine Raum, eine Totenkammer der späten Mississippi-Kultur, bietet uns ein einzigartiges Bild – von den Plünderern, von seinen Zerstörern gezeichnet. Hamilton könne selbst hineinkriechen und die Reste inspizieren, boten sie ihm an, aber als er sah, dass der Stollen vollkommen ungesichert war, lehnte er ab.
    Ich habe einmal einen Archäologen in Kentucky besucht, einen großen, entspannten und auf trügerische Weise verschlagenen Kerl namens Tom Des Jean, der als Spezialist für kulturelle Ressourcen (»Das ist mir lieber als ›Archäologe‹«, sagte er, »denn wenn sie Stellen streichen, feuern sie die Spezialisten als Letzte«) im Big-South-Fork-Nationalpark arbeitet, der sich auf dem Plateau von Tennessee bis nach Kentucky erstreckt. Bei den ständigen Konfrontationen mit Plünderern
auf dem Gelände des Parks hat Des Jean tatsächlich ein paar von ihnen kennengelernt. Als sie merkten, dass er sie nicht verhaften, sondern nur dazu bewegen wollte aufzuhören, luden sie ihn zu sich nach Hause ein, um ihm ihre Sammlungen zu zeigen. Er war immer wieder verblüfft, was er dort zu sehen bekam – Stücke, die auch ohne Herkunftsangabe und Kontext allein durch ihre bloße Existenz Einfluss auf die Geschichtsschreibung des Plateaus haben. Er begriff, dass er gegenüber den Plünderern eine Art Entspannungspolitik betreiben musste; für Snobismus stand zu viel auf dem Spiel. »Es gibt all diese Leute, die all dieses unglaubliche Zeug finden«, sagte er. »Und sie haben Angst, jemandem davon zu erzählen, weil sie nicht erwischt werden wollen. Aber wer ist am Ende der Dumme?« Des Jean fing an, über ihre Sammlungen zu schreiben, und ließ sich bei seinen Ausgrabungen von ihnen beraten. In der Folge gingen die Plündereien im Nationalpark zurück, Neuentdeckungen wurden schneller gemeldet. Er gab mir einen interessanten Aufsatz eines Kollegen, der darüber schrieb, wie man mithilfe von Bodenanalysen Fundort-Informationen aus Plündergut gewinnen kann.
    Des Jean erklärte mir, dass das Schürfen in den Halbhöhlen auf beiden Seiten des Parks eine regelrechte Volkskultur sei – das sogenannte »sifting« (am Eingang zum Park gebe es einen Ort namens »Sifter's Hill«, sagte er). Er hatte sich zusammengereimt, dass die ganze Sache etwas mit der Jagd zu tun haben musste. »Das Wild isst morgens«, sagte er. »Auf Nahrungssuche wagt es sich heraus, aber dann ist es satt und kommt erst in der Abenddämmerung wieder zum Vorschein. Und so lange sitzt man im Wald und wartet. Was macht man also? Man gräbt nach Pfeilspitzen.« Er erzählte mir von einer Familie, die gerne nachts gemeinsam im Licht eines Scheinwerfers grub, den sie an die Batterie ihres Armee-Jeeps anschlossen (die wachsende Zahl von Jeeps hatte laut Des Jean nach dem Krieg die Plünderei beflügelt). Der Sohn dieser Fa
milie (und ihr eifrigster Digger) hatte Des Jean gegenüber einmal erwähnt, dass das Geräusch von

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