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Pulphead

Pulphead

Titel: Pulphead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Jeremiah Sullivan
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ist wirklich hübsch). Einer der Typen aus der Filmcrew, der vorbeikam, um unser Wohnzimmer zu streichen – ein kleiner, mit monströsen Muskeln bepackter Fuzzi mit Biker-Schnurrbart und Baseball-Kappe, der eine Menge unnützes Wissen über Filme aus Wilmington draufhatte – erzählte mir, dass unser Haus auch in Blue Velvet auftaucht, den David
Lynch hier gedreht hat. Ich habe das überprüft. Und es stimmt. Nur für ein paar Sekunden. In der Szene mit der Verfolgungsjagd, als Jeffrey sich vom psychotischen Frank (eine unvergessliche Leistung von Dennis Hopper) verfolgt glaubt, dann aber erleichtert feststellt, dass es nur der dämliche Mike ist. In dem Moment, in dem sich die Radkappe löst und die Straße runterrollt wie ein Spielzeugreifen (dass es so aussieht, war wohl nicht beabsichtigt; angeblich fand Lynch diesen Effekt beim Schnitt so toll, dass er den Moment in die Länge zog – wenn man die Szene genau betrachtet, fällt auf, dass die Einstellung ungewöhnlich lange gehalten wird, verglichen mit dem, was man normalerweise bei einer rasanten Bordsteinwende machen würde, nämlich die Bewegung schneiden, um die Geschwindigkeit zu betonen) – das ist vor unserem Haus. Und es gab noch mehr. Wir erfuhren, dass der Toilettentisch in unserem Gästezimmer in der Serie Dawson's Creek Katie Holmes gehört. Unser neues Heim hatte in einer Folge als Spukhaus herhalten müssen.
    Jetzt aber wohnte Peyton hier, und man musste dringend ihr Zeug herbringen. Greg hatte uns vor die Wahl gestellt: Entweder wir tauschen jedes Mal sämtliche Möbel aus – wir packen euer Zeug zusammen und verfrachten es irgendwohin, schleppen unser Zeug rein, machen den Dreh, schleppen alles wieder raus und euer Zeug wieder rein –, das machen wir, dazu sind wir tatsächlich bereit, vor und nach jedem Dreh. Oder wir lassen unser Zeug einfach stehen. Ihr behandelt es wie eures. Und wir holen es erst nach der Staffel ab. Lasst uns doch euer neues Haus für euch einrichten. Vielleicht dürft ihr am Ende sogar ein paar Möbel behalten.
    Theoretisch erschien uns das sinnvoll. In Wirklichkeit (ich muss fast immer lachen, wenn ich dieses Wort benutze) bedeutete es, dass wir in einer Fernsehkulisse lebten. Natürlich fragten sie immer nach unserer Meinung, sie zeigten uns Möbelkataloge und lenkten uns behutsam zu Gegenständen, die
einerseits unserem Geschmack entsprachen und andererseits so aussahen, als ob Peyton sie in ihrer Wohnung stehen haben könnte. Heraus kamen mehr geschmackvolle Blümchenmuster, als ich erwartet hatte, aber das war in Ordnung. Vielleicht steckte auch in mir eine kleine Peyton.
    Sie war kompliziert, hatte mehr Tiefgang als die anderen Jugendlichen in One Tree , und das heißt für die Begriffe einer Teenager-Serie: Sie trug häufig Flanellhemden. Die anderen Jugendlichen fragten sie um Rat. Sie wohnte alleine. Ihre biologischen Eltern waren tot und ihre Adoptiveltern verschollen. Oder eine Mischung aus beidem. Auf jeden Fall lieferte diese Konstellation die Erklärung dafür, warum sie ein eigenes großes Haus besaß, obwohl sie noch zur Highschool ging, und warum sie in diesem Haus oft mit Teenager-Jungs im Bett lag, redete und kuschelte, ohne dass irgendwelche schrecklichen Ungeheuer-Eltern an die Tür hämmerten und brüllten: »Das hört sich aber nicht so an, als ob ihr da drin lernen würdet!« Peyton Sawyer, ein Mädchen, das gezwungenermaßen zu schnell erwachsen wird. Aber tief in sich eine innere Unschuld birgt.
    Nicht mit ausgesucht haben wir diese düsteren Kohlezeichnungen. Wenn ich mich recht entsinne, sind sie über Nacht aufgetaucht. Es waren ziemlich viele, sie waren das Erste, was man sah, wenn man durch die Haustür kam, und sie sahen aus, als seien sie in kunsttherapeutischen Sitzungen im Gefängnis entstanden. Zu einem der Crew-Mitglieder muss ich etwas gesagt haben wie: »Gott, der ganze vordere Teil des Hauses ist ja jetzt voll von ziemlich krassem, finsterem Kunstzeug.«
    »Ja«, bekam ich zurück, »besonders fröhliche Gemälde sind das tatsächlich nicht.«
    Peyton steckt in dieser Staffel in ihrer Gequälte-Künstlerinnen-Phase.
    »Packt sie doch einfach in einen Schrank, wenn wir nicht drehen.«
    Als wieder Ruhe eingekehrt war, saßen wir mit dem Baby
auf dem neuen Sofa und ließen alles auf uns wirken. Wow, die Zimmer sahen toll aus. Ein bisschen steril, ein bisschen nach Showroom. Aber wir hätten es uns so oder so nicht leisten können, das Haus selbst einzurichten. Wie hatte unser

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