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Pulphead

Pulphead

Titel: Pulphead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Jeremiah Sullivan
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ursprünglicher Plan ausgesehen? Auf der Straße gebrauchte Möbel einsammeln, die andere Leute als Sperrmüll rausgestellt hatten? Ich konnte mich noch nicht mal mehr erinnern. Wir hatten keinen Plan gehabt.
     
    In der Highschool hatte ich eine Lateinlehrerin namens Patty Papadopolous. Eine gewaltige Person – wegen ihres Leibesumfangs und dessen Auswirkungen auf ihre Knie brauchte sie oft einen Rollstuhl, um überhaupt von der Stelle zu kommen – und eine hervorragende Lehrerin. Sie hatte jung geheiratet, aber ihr Mann war in Vietnam gefallen. Die Haare trug sie zur wasserstoffblond gefärbten Turmfrisur toupiert. Sie hievte sich von staatlicher Schule zu staatlicher Schule, wobei sie zum Ein- und Aussteigen aus ihrem Kleintransporter eine Art medizinischen Gabelstapler benutzte, und unterrichtete die wenigen Lateinkurse, die man dort noch zusammenbekam. Sie konnte einen für die Welt der Antike begeistern. Sie erzählte davon, wie die römische Armee auf dem Höhepunkt ihrer gnadenlosen Leistungsfähigkeit jeden Nachmittag haltmachte und eine Stadt baute, in der man dann für eine Nacht wohnte, aß, vögelte, Würfelspiele spielte, die Strategie besprach, Waffen schärfte und aufs Klo ging, bevor man die Stadt am nächsten Morgen wieder einpackte und weitermarschierte.
    Diese Beschreibung kam mir spontan in den Sinn, als das Filmteam für den ersten Dreh der neuen Staffel anrückte. Wir fanden, das kaum zwei Wochen alte Baby sei zu klein für das Hin und Her zwischen Haus und Hilton. Deswegen drehten sie eine ganze Szenenfolge, während wir im Haus waren, weggesperrt im ersten Stock.
    In unserer Straße tauchten kastenförmige Licht-Trucks auf.
Wie sie da hintereinander parkten, wirkten sie wie eine Reihe weißer Büffel. Das Ganze hatte was von E .  T . , dieser Szene, als sie E .  T . aufspüren und mitnehmen. Die Polizei stellte sich an die Straßenecken, regelte den Verkehr und verscheuchte Schaulustige. Auf einem benachbarten Feld schlugen sie das Essenszelt auf, in dem schon bald eine Menge los war. Die Stars aßen in einem Van. Ich sah aus dem Fenster – Kilometer von Kabeln, Wälle von Lampen, Dixi-Klos. Walkie-Talkies.
    Sie drehten tagsüber eine Abendszene. Die meisten Fenster hatten sie geschwärzt. Im ersten Stock, da, wo wir uns aufhielten, war Nachmittag. Unten war es ungefähr zehn Uhr abends. Nach den Geräuschen zu schließen, befanden sich zwanzig Fremde im Haus.
    Stille. Wir horchten.
    Peytons Stimme.
    An den genauen Wortlaut kann ich mich nicht erinnern. So was wie: »Das habe ich nicht gewollt.« Dann sagte eine andere Figur etwas, Schritte. Der Regisseur ließ Hilarie den Satz auf verschiedene Arten sagen.
    »Das habe ich nicht gewollt.«
    »Das habe ich nicht gewollt.«
    »Das habe ich nicht gewollt.«
    Sogar durch die Dielen hindurch bekam man noch einen Eindruck von Hilaries Arbeitsethik – der Arbeitsethik eines Exkinderstars, der hundert Prozent gibt. »Kamera läuft.« Und wieder: »Kamera läuft.« Nie wurde sie patzig, jeder Take war zu gebrauchen.
    Am einsetzenden allgemeinen Gemurmel merkten wir, dass sie die Szene abbrachen. Während das Baby gestillt wurde, warteten wir auf die nächste. Wir spitzten die Ohren.
    Aber es kam keine nächste. Sie waren fertig, verließen das Haus. Um Mitternacht waren sie weg, die Straßensperren waren eingepackt, die Stadt verschwunden. Sie hatte für circa zwanzig Sekunden Filmmaterial existiert.
    Beim nächsten Dreh, einem Außendreh, hatten wir Familienbesuch. Was lustig war. Es freute uns, wie unsere Verwandten von den gelegentlichen Promi-Sichtungen und überhaupt allem in Aufregung versetzt wurden. Damit einher ging auch, dass sich einige erinnerungswürdige, tiefgreifende Momente meiner ersten Tage als Vater, Momente, die mein Leben für immer verändern würden – das eigene Kind in der Küche im Arm zu halten, mehrere Generationen zusammen zu haben –, ereigneten, während Peyton auf der Terrasse ähnlich intensive Augenblicke durchlebte. Einer ihrer Väter, der bei der Handelsmarine gewesen war, hatte im Hafen festgemacht und versuchte, sich wieder in ihr Leben zu drängen. Vielleicht habe ich das auch falsch verstanden – ich musste mir schließlich alles aus Dialogfetzen zusammenreimen.
    An der Art, wie sie unsere Familie bei Laune hielt, konnte man sehen, wie sympathisch Hilarie war. Das Drehbuch verlangte von ihr, quer durch den Garten zu rennen, die Stufen zur Fliegengittertür vor dem Verandaeingang hochzulaufen,

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