Pulphead
richtigen Reihenfolge einsortieren. Ja, so gründlich sind wir. Wir bezahlen sogar Leute, die im Anschluss kommen und saubermachen. Das Haus wird besser aussehen, als wie ihr's hinterlassen habt. So und so viel zahlen wir für einen Außen-, so und so viel für einen Innendreh.
Zusammengerechnet entsprach der Betrag unserer Hypothek.
Ja, ich denke, da könnten wir zusammenkommen. »Die beiden vorderen Zimmer« – vor allem diese Phrase hörten wir wiederholt. Ihr eignet eine poetische Dichte, ähnlich wie dem Wort »Kellertür«. So scheint es mir zumindest in der Erinnerung. Die beiden vorderen Zimmer.
Weinroter Minivan, Greg weg.
In unserer Wahlheimat, der Küstenstadt Wilmington in North Carolina – Wilmywood –, werden eine Menge Filme und Fernsehserien gedreht. Es fing damit an, dass der mitt
lerweile verstorbene Produzent Frank Capra Jr. in den frühen Achtzigern herkam, um den Feuerteufel zu drehen. Weil es ihm hier gefiel, blieb er da, und um ihn herum entwickelte sich eine regelrechte Industrie. Dennis Hopper kaufte eine Immobilie. Heutzutage ist die Hälfte der jungen Leute, die in den Restaurants im Zentrum kellnern, Komparse oder Möchtegern-Schauspieler. Im Supermarkt kann es einem passieren, dass man in der Kassenschlange direkt hinter Val Kilmer steht. Wir haben Filmstudios und eine Filmschule, und in der Branche sind wir bekannt für unsere außergewöhnliche Bandbreite an Locations. Man kann hier so gut wie alles drehen: Man kann auf superbeachy Strand machen, direkt nebendran auf wohlhabenden Vorort im Grünen, man kann Heuschober-Landluft-Feeling haben und die Hier-geht-nachts-was-Straße, also eigentlich alles.
In den letzten Jahren war der größte Verkaufsschlager der Stadt die melodramatische Teenager-Serie One Tree Hill , die zuerst auf The WB Television lief und jetzt beim CW Network gelandet ist. Aber lassen Sie sich nicht von den unbekannten Sendernamen täuschen, diese Serie gucken überraschend viele Menschen, möglicherweise sogar Sie, sofern ich richtig informiert bin. One Tree Hill ist eine der schlechtesten Serien aller Zeiten, und ich meine das ausdrücklich nicht als Beleidigung. Sie ist auf eine Weise schlecht, wie auch mexikanisches Fernsehen schlecht ist. Superkünstlich schlecht, extrastilisiert schlecht. Gut schlecht. Es gibt sogar Momente, in denen das spezifisch Campe dieser Schlechtheit – obwohl ich seine Präsenz spüren kann – mein Fassungsvermögen übersteigt, meine Frequenz, so wie dieses Piepen, das man im Internet abspielen kann und das nur Kinder hören. Bei mir sind schon zu viele Camp-Rezeptoren abgestorben. Möglicherweise ist One Tree Hill sogar ein Geniestreich. Ganz sicher aber läuft gerade die neunte Staffel, was fast zwingend nahelegt, dass die Mutter von Mark Schwahn, dem Autor der Serie, keinem Idio
ten das Leben geschenkt hat, und wenn doch, dann muss das der Bruder von Mark sein.
Die One Tree -Figur, die angeblich in unserem neuen Haus wohnte, hieß Peyton und wurde von einem der Stars gespielt, von Hilarie Burton, einer umwerfend schönen, spindeldürren Blondine. Denken Sie an kupferfarbene Locken. Ich hatte sie mal auf MTV gesehen, genau an dem Tag, als ich mich zum ersten Mal zu alt fühlte, um MTV zu gucken. Als wir uns mit ihr trafen, war sie supernett – sie ist immer supernett. Hilarie hat in Wilmington einen fantastischen Ruf. Sie ist eine von denjenigen aus dem Schauspielerensemble, die in die Stadt gezogen sind und sich vor Ort einbringen. Bei unserem Treffen umarmte sie uns, machte uns Komplimente für das Haus und bedankte sich dafür, dass sie es nutzen durften. Sie entwaffnete uns – mit guten Manieren hatten wir nicht gerechnet.
Keine Ahnung, wieso unser Haus in den Ruf kam, ein guter Drehort zu sein. Es ist überhaupt nichts Besonderes. Ich glaube, es wirkt auf den ersten Blick irgendwie robust – ausnahmslos jeder Handwerker hat bisher angemerkt, »wie viel Holz hier verbaut wurde« –, und zwar auf eine Art, die für einen Regisseur, der in kürzester Zeit und möglichst wenig subtil die Aussage »Großes Backsteinhaus« treffen will, visuell praktisch ist. Die Filmfirma hat Scouts, die rumfahren und nach solchen Dingern Ausschau halten. Außerdem ist unser Viertel interessant. Von einem Heimatforscher habe ich erfahren, dass es in den zwanziger Jahren von der Christlichen Wissenschaft als eine Art Kolonie gegründet wurde. Lolitas Haus aus Lolita (der Jeremy-Irons-Version) ist weiter die Straße runter (es
Weitere Kostenlose Bücher