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Pulphead

Pulphead

Titel: Pulphead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Jeremiah Sullivan
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Steine ihm den Schädel gebrochen hat. Man weiß ja gar nicht, wie viel Kraft die haben! Sie haben zehn Leute getroffen. Blöderweise sind wir alle weggelaufen. Die Männer gingen mit Äxten zurück. Die Affen tranken das Wasser weg. Mein Mann sagte, dass sie wussten, wie die Hähne funktionierten. Die Fahrer saßen noch in den Lastern. Sie hatten Angst. Die Männer gingen mit den Äxten auf die Affen los, mussten aber erst acht von ihnen töten, bevor der Rest sich davonmachte. Die Fahrer weigerten sich, über Nacht im Dorf zu bleiben wie sonst immer, weswegen wir in größter Eile das Wasser abzapfen mussten; sie fuhren wieder los, als wir noch nicht fertig waren. In der Hektik füllten wir einiges in verschmutzte Kanister, die Affen hatten schon ein Drittel weggetrunken. Die meisten Opfer der damaligen Hungersnot starben in diesem Frühjahr, und mein Mann hat immer gesagt, die Affen haben sie auf dem Gewissen, die Affen haben diese Schlacht gewonnen.«
    Sie machte eine Geste, die, glaube ich, einen im Siegesrausch die Axt schwingenden Affen darstellen sollte.
    Irgendwann unterbrach Sila Fall sie und sagte, wir müssten uns auf den Weg machen, weil wir, um zu dem anderen Ort zu kommen, den Marc sehen wollte, noch zwei Stunden Fahrt vor uns hätten, auf einer Straße, auf der wir uns nach Einbruch der Dunkelheit besser nicht mehr aufhalten sollten; sie führe entlang der Grenze zu Somalia – sie machte eine Maschinengewehr-Geste –, wir müssten uns jetzt verabschieden. Ob Marc noch weitere Fragen habe?
    »Was für Rufe stießen sie während des Angriffs aus? Was für Geräusche haben sie gemacht? Überhaupt welche?«
    Laut Kakenya Wamboi hatten sie die gesamte Zeit über geschnattert. Nicht gebrüllt. Eher gesprochen. Dann sagte sie
noch etwas. Sila Fall übersetzte: »Sie freut sich, Sie getroffen und Ihnen geholfen zu haben. Sie sehen sicher, dass sie sehr arm ist, sehen Sie ihr Haus, sie weiß, dass Sie gute Menschen sind und hofft, dass auch Sie ihr helfen.« Immerhin: Marc sah mich an, und ich kramte ein paar zerknüllte Scheine aus meiner Tasche.
    Da Sie Marc Livengood jetzt schon ein bisschen kennen, ahnen sie sicher, was sein anhaltendes Schweigen während der Autofahrt mit Sila Fall zu bedeuten hatte. Der Mann wälzte schwere Gedanken. Sila Fall fuhr und erzählte, vor allem über die Jahre, die sie in den USA verbracht hatte. Ich hätte sie wahnsinnig gern gefragt, ob sie wusste, warum Livengood hier war und wovon er ausging, konnte ihr diese Fragen aber nicht in Marcs Anwesenheit stellen. Und ein Weg, die beiden zu trennen, fiel mir nicht ein. Schließlich fuhr der Van von der Piste ab und wurde langsamer, durch den Sitz hindurch konnte man spüren, wie die Reifen plötzlich auf sandigen Untergrund stießen. Wir stiegen aus und liefen los. Ich fragte Sila Fall: »Sind Sie schon mal an dieser Stelle gewesen?«
    Sie nickte. »Ich bin hier aufgewachsen.«
    Zwanzig Minuten lang liefen wir durch eine Kluft in einer niedrigen Sandsteinformation. Wir kamen zu einer Vertiefung in der Erde, die die Form einer auf dem Kopf stehenden Garnrolle hatte und das Überbleibsel eines Sinklochs gewesen sein muss. An ihrem Grund war Wasser. »Gutes Wasser«, sagte Sila Fall. Am Rand der Vertiefung gab es eine Stelle, wo man gut hineinrutschen und hinunterklettern konnte. »Diese Stelle gab es 2000 noch nicht«, sagte Sila Fall, »aber wenn es wirklich so trocken war, wie man erzählt, dann war unten nur noch eine Pfütze. Wahrscheinlich das einzige Wasser im Umkreis von Kilometern.«
    Ende Februar 2000 rutschte ein Hirte namens Ali Adam Hussein zu dieser Pfütze hinunter, höchstwahrscheinlich nicht, um seinen eigenen Durst zu löschen, sondern um ein wenig
Wasser für seine Kühe heraufzuholen. Als er von unten hochschaute, sah er mehrere Affen, die von oben zu ihm hinunter blickten. Vermutlich versuchte er, an seine Waffe zu kommen. Darauf hoben die Affen Steine auf und schleuderten sie direkt auf seinen Kopf. Er starb Stunden später an dem, was eine Krankenschwester in Mandera, wo er hergekommen war, schlicht als »schwere Kopfverletzungen« beschrieb.
    Marc fragte Sila Fall nicht um Erlaubnis, bevor er selbst in das tiefe, natürliche Wasserloch hinabrutschte. Sila und ich sahen ihm irgendwie überrumpelt zu. Es wirkte, als folge er einem plötzlichen Impuls. Unten angekommen, tat er allerdings sofort so, als habe er absichtsvoll gehandelt. Mit ausgestellter Hüfte stand er da, sein Pferdeschwanz ragte hinten aus

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