Pulphead
echt?
Die Lage entspannte sich, als ich sagte: »Coral, was hast du vorhin gemeint, als du gesagt hast, dass du die Sendung nicht anguckst, weil du weißt, dass das alles nicht so ist?«
Der Miz kam ihr zur Hilfe. (Das fiel mir auf: Wenn man Coral etwas fragt, antwortet der Miz, und umgekehrt.)
»Also, stell dir vor, wir unterhalten uns hier«, sagte er. »Und hier ist ein Kameramann. Dort der Beleuchter. Der Regisseur. Und da stehen noch mal ungefähr fünf Leute, während wir uns hier unterhalten. Man weiß natürlich, was die gerade machen . . . Und man weiß, dass die in den Interviews Fragen stellen. So was wie: Glaubst du, dass die anderen über dich reden?«
ICH : »Die« stellen euch Fragen?
MIZ : Klar.
CORAL : Es gibt die Beichte . . . Du musst eine Stunde pro Woche zur Beichte, und dann sind da noch die Interviews jede Woche. Mit einer Psychiaterin.
ICH : Im Ernst?
MIZ : Ich schwör's. Dr. Laura.
CORAL : Dr. Laura.
MELISSA : Dr. Laura.
CORAL : Die ich liebe.
ICH : Aus der Sendung?
MIZ : Also, aus unserer Sendung.
ICH : Nicht Dr. Laura aus . . .
MELISSA : Dr. Laura Schlessinger? Das wäre zum Schreien . . .
Ich hatte immer vermutet, dass es bei The Real World so etwas wie Puppenspieler gab, die im Hintergrund »Dramen« anzettelten, aber die Vorstellung, dass der Sender dafür eine Psychiaterin anstellt? Eine, die die Teilnehmer nicht nur während der
Drehzeiten manipuliert, sondern bereits im Casting-Prozess, wie mir die drei versicherten? Und die auch für andere Sendungen gearbeitet hat? Das sagte einiges über The Real World , über das ganze System. Als ich weiter oben schrieb, dass die Casting-Leute die Sendungen immer verrückter werden lassen, hatte ich keine Ahnung, wie recht ich damit hatte! Diese Frau war eine inoffizielle Administratorin der realen Welt. Und wie sich herausstellte, war Dr. Laura Psychologin, keine Psychiaterin, was besser ist, wenn man es recht bedenkt, denn Psychologen müssen den Hippokratischen Eid nicht schwören, und diese Frau hat ganz ganz sicher Schaden angerichtet. Es war so was von klar, dass ich sie auf keinen Fall anrufen würde.
Stattdessen beschwöre ich lieber das Bild vom Miz herauf, als ich den Avalon Nightclub verließ, und wir uns verabschiedeten. Er tanzte gerade mit dem Mädchen, dessen Brust er signiert hatte. Sie ließen ihre Hüften kreisen, er hinter ihr. Die Nacht war gut gelaufen. Er sah, dass ich aufbrechen wollte, und winkte und warf mir diesen Blick zu: »Du haust ab?« Und ich rief: »Ich muss los!« Und er brüllte: »Alles klar, Alter!« und tanzte weiter. Die bunten Lichter auf seinem Gesicht. Die Leute guckten.
In diesem Augenblick fiel es mir unheimlich schwer, etwas Schlechtes über den Miz zu denken. Erinnern Sie sich an ihr letztes Jahr im College? Wie das war? Feiern war alles, worum man sich kümmern musste, und wenn man loszog, spürte man, dass die Leute einen cool fanden. Es war ein großer Spaß, jung und Amerikaner zu sein. Erinnern Sie sich an dieses Gefühl? Ich mich auch nicht. Aber der Miz erinnert sich. Er hat einen Weg gefunden, für immer in diesem Gefühl zu leben.
Drückt ihm die Daumen, Leute.
Michael
Wie sonst kann man über Michael Jackson reden, als dass man Prince Screws erwähnt?
Prince Screws war Sklave auf einer Baumwollplantage in Alabama. Nach dem Bürgerkrieg wurde er Pachtbauer, wahrscheinlich auf dem Land seines ehemaligen Herrn. Sein Sohn Prince Screws Jr. kaufte eine kleine Farm. Dessen Sohn wiederum, Prince Screws III ., verließ zur Zeit der Great Migration, als Millionen Schwarze aus den Südstaaten abwanderten und in den Industriestädten des Nordens sesshaft wurden, die alte Heimat und ging nach Indiana, wo er Arbeit als Schlafwagenschaffner – als einer der sogenannten Pullman Porter – fand.
Hier wurde die Ahnenreihe unterbrochen. Dieser letzte Prince Screws, der in den Norden gegangen war, hatte keine Söhne. Dafür zwei Töchter, Kattie und Hattie. Kattie brachte zehn Kinder zur Welt, das achte ein Junge namens Michael, der seine eigenen Söhne Prince nennen sollte, zu Ehren seiner Mutter, die er vergötterte, und als Zeichen der Rückbesinnung. Den lächerlichen Spitznamen, den ein weißer Mann seinem schwarzen Sklaven gegeben hatte, so als würde er einen Hund taufen, verlieh nun ein schwarzer König seinen hellhäutigen Söhnen und Erben.
Und wir hielten den Namen für affektiertes Getue und machten uns darüber lustig.
Nicht, dass es dafür
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