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Puls

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Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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bekommen. Als Clay sich die Schuhe auszog, klopfte jemand flüchtig an die Tür, und gleich darauf trat der Rektor ein. Auf seinen Backenknochen leuchteten zwei hochrote Flecken. Sonst war sein Gesicht leichenblass.
    »Was ist mit Ihnen?«, fragte Clay und stand auf. »Ist es etwa doch Ihr Herz?«
    »Ich bin froh, dass Sie das fragen«, antwortete der Rektor. »Ich wusste nicht genau, ob ich die Saat gesät habe, aber anscheinend ist mir das gelungen.« Er warf einen Blick über die Schulter in den Flur hinaus, dann schloss er die Tür mit der Zwinge seines Krückstocks. »Hören Sie mir bitte aufmerksam zu, Mr. Riddell - Clay -, und stellen Sie mir keine Fragen, außer Sie halten sie für unbedingt erforderlich. Ich werde heute am späten Nachmittag oder frühen Abend tot in meinem Bett aufgefunden werden, und Sie werden sagen, das sei natürlich doch mein Herz gewesen, das die Aufregungen der vergangenen Nacht nicht verkraftet habe. Haben Sie verstanden?«
    Clay nickte. Er hatte verstanden, und er unterdrückte den Widerspruch, der ihm automatisch auf der Zunge lag. In der alten Welt wäre er vielleicht am Platz gewesen, aber hier war kein Raum dafür. Er wusste, weshalb der Rektor den Plan gefasst hatte, den er vortrug.
    »Würde Jordan auch nur vermuten, dass ich mir das Leben genommen habe, um ihn von etwas zu befreien, was er in seiner jungenhaft bewundernswürdigen Art als seine heilige Pflicht betrachtet, würde er sich vielleicht ebenfalls das Leben nehmen. Zumindest würde er in etwas gestürzt, was die ältere Generation in meiner eigenen Kindheit noch als Poriomanie gekannt hat. Er wird tief um mich trauern, aber das ist statthaft. Der Gedanke, dass ich Selbstmord verübt habe, damit er Gaiten verlässt, ist es nicht. Haben Sie auch das verstanden?«
    »Ja«, sagte Clay. Dann: »Sir, warten Sie noch einen Tag länger. Was Sie vorhaben ... ist vielleicht nicht notwendig. Möglicherweise kommen wir ungestraft davon.« Das glaubte er zwar selbst nicht, und Ardai war ohnehin entschlossen, sein Vorhaben auszuführen; Clay sah die ganze Wahrheit in dem angespannten Gesicht des Mannes, seinen fest zusammengepressten Lippen, seinen hektisch glänzenden Augen. Trotzdem versuchte er es noch einmal. »Warten Sie noch einen Tag länger. Vielleicht kommt ja niemand.«
    »Sie haben diese Schreie gehört«, antwortete der Rektor. »Das war Wut. Sie werden kommen.«
    »Schon möglich, aber .«
    Der Alte hob seinen Stock, um ihm das Wort abzuschneiden. »Und wenn sie kommen und unsere Gedanken so gut lesen können wie die ihrer Artgenossen, was werden sie in Ihren lesen, wenn Sie noch da sind, um sich die Gedanken lesen zu lassen?«
    Clay gab keine Antwort, beobachtete nur das Gesicht des Rektors.
    »Selbst wenn sie nicht Gedanken lesen können«, fuhr der Rektor fort, »was haben Sie dann vor? Wollen Sie hier bleiben, Tag für Tag, Woche für Woche? Bis der Schnee kommt? Bis ich endlich an Altersschwäche sterbe? Mein Vater ist siebenundneunzig geworden. Sie sollen auch an Ihre Frau und Ihr Kind denken.«
    »Mit meiner Frau und meinem Sohn ist entweder alles in Ordnung oder nicht. Damit habe ich mich längst abgefunden.«
    Das war eine Lüge, und Ardai sah sie vielleicht in Clays Blick, jedenfalls lächelte er sein beunruhigendes Lächeln. »Und glauben Sie, dass Ihr Sohn sich damit abgefunden hat, dass er nicht weiß, ob sein Vater am Leben, tot oder geistesgestört ist? Nach nur einer Woche?«
    »Das war ein Tiefschlag«, sagte Clay. Seine Stimme klang zitterig.
    »Wirklich? Ich wusste gar nicht, dass wir hier boxen. Außerdem gibt's keinen Ringrichter. Keiner hier außer uns Hühnern, wie man so schön sagt.« Der Alte sah sich nach der geschlossenen Tür um, dann wandte er sich wieder Clay zu. »Die Gleichung ist sehr einfach. Sie können nicht bleiben, und ich kann nicht fort. Für Jordan ist's am besten, wenn er mit Ihnen geht.«
    »Aber Sie einzuschläfern wie ein Pferd mit einem gebrochenen Bein .«
    »Keineswegs«, unterbrach der Rektor ihn. »Pferde praktizieren keine Euthanasie, aber Menschen tun es.« Die Tür ging auf, und Tom kam herein. Fast ohne Atempause fragte der Rektor: »Und haben Sie sich je als Illustrator versucht, Clay? Für Romane, meine ich.«
    »Den meisten Verlagen ist mein Stil zu extravagant«, sagte Clay. »Ich habe aber schon Umschläge für kleine Fantasy-Verlage wie Grant und Eulalia gezeichnet. Für einige der Marsbücher von Edgar Rice Burroughs.«
    »Barsoom!«, rief der Alte aus und

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