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Puls

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Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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tüchtig zu. Seine Gesichtsfarbe war lebhaft, seine Redeweise animiert. Er schwelgte in Erinnerungen an sein Leben auf der Gaiten Academy und den Einfluss, den Rektor Ardai auf Herz und Verstand eines einsamen, introvertierten Computerfreaks aus Madison, Wisconsin, gehabt hatte. Die brillante Klarheit der Erinnerungen des Jungen bewirkte, dass Clay sich immer unbehaglicher fühlte, und als er erst zu Alice, dann zu Tom hinübersah, merkte er, dass es ihnen ähnlich ging. Jordan war kurz davor, überzuschnappen, aber es war schwierig, etwas dagegen zu unternehmen; sie konnten ihn schlecht zu einem Psychiater schicken.
    Irgendwann nach Einbruch der Dunkelheit schlug Tom vor, Jordan solle sich etwas ausruhen. Jordan sagte, das werde er tun, aber erst, wenn sie den Rektor begraben hätten. Sie könnten ihn im Garten hinter der Lodge beerdigen, schlug er vor. Er erzählte ihnen, der Rektor habe den kleinen Gemüsegarten seinen »Siegesgarten« genannt, ihm den Grund für diese Namensgebung aber nie erklärt.
    »Das ist der ideale Platz«, sagte Jordan lächelnd. Seine Wangen waren jetzt hochrot. Die tief in ihren Höhlen liegenden, blutunterlaufenen Augen glänzten von etwas, das Inspiration, Fröhlichkeit, Verrücktheit oder alles drei sein konnte. »Da ist nicht nur der Boden locker, sondern da ist er auch immer am liebsten gewesen ... draußen, meine ich. Also, was haltet ihr davon? Sie sind fort, weil sie sich nachts offenbar immer noch verkriechen, und wir können beim Licht der Gaslaternen graben. Wie steht's damit?«
    Tom überlegte, dann fragte er: »Sind Schaufeln da?«
    »Natürlich, im Geräteschuppen. Wir brauchen nicht mal in die Treibhäuser zu gehen.« Und dann lachte Jordan tatsächlich.
    »Also los«, sagte Alice. »Kommt, wir begraben ihn, damit wir's hinter uns haben.«
    »Und danach legst du dich hin«, sagte Clay, indem er Jordan ansah.
    »Klar, klar!«, rief Jordan ungeduldig aus. Er erhob sich von seinem Stuhl und lief nervös in der Küche auf und ab. »Kommt endlich, Leute!« Als ob er sie animieren wollte, mit ihm Fangen zu spielen.
    Also hoben sie das Grab im Gemüsegarten des Rektors hinter der Lodge aus und setzten ihn zwischen den Bohnen und Tomaten bei. Tom und Clay senkten den verhüllten Leichnam in die ungefähr einen Meter tiefe Grube. Die Arbeit hielt sie warm; erst als sie damit aufhörten, merkten sie, dass es in dieser Nacht kalt, beinahe frostig geworden war. Die Sterne über ihnen leuchteten noch hell, aber dichter Bodennebel kam den Akademiehügel heraufgekrochen. Die Academy Avenue war bereits unter dieser ansteigenden weißen Flut verschwunden; nur die Steildächer der größten alten Häuser dort unten ragten noch aus ihr auf.
    »Ich wollte, jemand wüsste irgendein Gedicht«, sagte Jordan. Seine Wangen waren noch hektischer gerötet, seine Augen lagen in kreisrunden Höhlen, und obwohl er zwei Pullover trug, zitterte er vor Kälte. Sein Atem bildete weiße Wölkchen. »Der Rektor hat Gedichte geliebt, für ihn waren sie echt das Höchste. Er war .« Jordans Stimme, die den ganzen Abend lang unnatürlich fröhlich geklungen hatte, brach nun schließlich. »Er war ein Mann der total alten Schule.«
    Alice zog ihn an sich. Jordan sträubte sich erst, dann gab er nach.
    »Also, pass auf«, sagte Tom, »wir decken ihn schön zu - decken ihn gegen die Kälte zu -, und dann verabschiede ich ihn mit einem Gedicht. Wäre das in Ordnung?«
    »Kennst du wirklich eins?«
    »Ehrenwort«, sagte Tom.
    »Du bist Klasse, Tom. Danke.« Und Jordan lächelte ihn mit müder, grausiger Dankbarkeit an.
    Das Grab war rasch wieder aufgefüllt, obwohl sie zuletzt noch etwas Erde aus dem rückwärtigen Teil des Gartens holen mussten, um es völlig eben zu machen. Als sie fertig waren, schwitzte Clay wieder und merkte, dass er stank. Er hatte schon lange nicht mehr geduscht.
    Alice hatte Jordan daran hindern wollen, dass er mithalf, aber er riss sich los und machte eifrig mit, indem er seine bloßen Hände benutzte, um Erde in die Grube zu werfen. Als Clay damit fertig war, das Erdreich mit dem Spaten festzuklopfen, hatte der Junge vor Erschöpfung glasige Augen und war kurz davor, wie ein Betrunkener zu torkeln.
    Gleichwohl sah er Tom begierig an. »Also los. Du hast's versprochen.« Clay erwartete fast, dass er wie ein mörderischer Bandido in einem Western von Sam Peckinpah hinzufügen würde: Und sprechegutt, Senor, sonstgibte Kugel in de Bauche.
    Tom trat an ein Ende des Grabes - Clay glaubte, es

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