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Puls

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Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sich wegen Kamikaze-Limousinen oder durchgehenden Duck Boats keine Sorgen mehr zu machen brauchten. Was eine Erleichterung war. Überall um sie herum knallte und krachte es in der Großstadt wie an Silvester in der Hölle. Auch in unmittelbarer Nähe gab es genug Lärm - meistens von Autoalarmanlagen und Einbruchmeldern -, aber die Straße selbst war im Augenblick unheimlich menschenleer. Gehen Sie in Deckung, hatte Officer Ulrich Ashland gesagt. Einmal haben Sie jetzt Glück gehabt. Das nächste Mal vielleicht nicht.
    Zwei Straßenblocks nördlich von Colonial Books, aber immer noch einen Block von Clays Absteige entfernt, hatten sie jedoch noch einmal Glück. Ein weiterer Irrer, diesmal ein junger Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren mit Muskeln, die mittels Nautilus und Cybex getunt zu sein schienen, kam unmittelbar vor ihnen aus einer Seitengasse gestürmt, sprang mit einem Satz über die ineinander verhakten Stoßstangen zweier Autos und stieß schäumend einen unaufhörlichen Lavastrom jenes Nonsensgeredes aus, während er weiterrannte. In den Händen hielt er zwei abgebrochene Autoantennen, mit denen er wie mit Dolchen hektisch fuchtelnd in die Luft stach, während er seinen tödlichen Lauf fortsetzte. Er war bis auf ein Paar nagelneu aussehender Nikes mit leuchtend roten Emblemen völlig nackt. Sein Pimmel schwang wie das Pendel einer Standuhr auf Speed von Seite zu Seite. Er erreichte den anderen Gehsteig und trabte in Richtung Stadtpark abbiegend nach Süden weiter, wobei sein Hintern sich in einem fantastischen Rhythmus anspannte und lockerte.
    Tom McCourt umklammerte Clays Arm und hielt ihn gepackt, bis dieser neueste Verrückte fort war, dann lockerte er langsam seinen Griff. »Wenn er uns gesehen hätte ...«, begann er.
    »Stimmt, aber das hat er nicht«, sagte Clay. Er fühlte sich plötzlich auf absurde Weise glücklich. Er wusste, dass dieses Gefühl sich wieder geben würde, aber im Augenblick genoss er es, sich von ihm tragen zu lassen. Er fühlte sich wie ein Spieler, der erfolgreich einen Royal Flush zusammengestellt hatte, während der größte Einsatz des Abends auf dem Tisch lag.
    »Mir tut jeder Leid, den er sieht«, sagte McCourt.
    »Mir tut jeder Leid, der ihn sieht«, sagte Clay. »Los, weiter!«

7
    Die Eingangstür des Hotels Atlantic Avenue Inn war abgesperrt.
    Clay war darüber so überrascht, dass er einen Augenblick lang nur dastehen und versuchen konnte, die Klinke herabzudrücken, die er durch die Finger rutschen fühlte, während er diese Vorstellung zu begreifen versuchte: abgesperrt. Die Tür seines Hotels, vor ihm abgesperrt.
    McCourt trat neben ihn, legte die Stirn ans Glas, damit es weniger spiegelte, und spähte hinein. Aus Norden - bestimmt vom Logan Airport her - kam eine weitere dieser Monsterexplosionen, aber diesmal zuckte Clay nur leicht zusammen. Er hatte den Eindruck, dass Tom McCourt überhaupt nicht darauf reagierte. Der Mann stand offenbar zu sehr im Bann dessen, was er sah.
    »Toter Kerl auf dem Fußboden«, verkündete er schließlich. »Trägt eine Livree, sieht aber eigentlich zu alt aus, um ein Hotelpage zu sein.«
    »Ich brauche keinen, der mein Scheißgepäck trägt«, sagte Clay. »Ich will nur in mein Zimmer raufgehen.«
    McCourt gab ein merkwürdiges kleines Schnauben von sich. Clay glaubte, dass der kleine Kerl vielleicht gleich wieder zu heulen anfing, merkte dann aber, dass es sich bei diesem Laut um ein unterdrücktes Lachen handelte.
    Auf einem Glaseinsatz der zweiflügligen Tür standen die Worte ATLANTIC AVENUE INN, auf dem anderen eine offensichtliche Lüge: BOSTONS BESTE ADRESSE. McCourt klatschte mit der flachen Hand auf die linke Glasfüllung zwischen BOSTONS BESTE ADRESSE und einer Reihe von Kreditkartenaufklebern.
    Jetzt spähte auch Clay hinein. Die Eingangshalle war nicht sehr groß. Links befand sich die Rezeption. Rechts waren zwei nebeneinander angeordnete Aufzüge zu sehen. Der Fußboden war mit türkischrotem Teppichboden ausgelegt. Auf dem Teppich lag der alte Kerl in der Livree auf dem Bauch: mit einem Fuß auf einer Couch und einem gerahmten Seestück von Currier & Ives auf seinem Hintern.
    Clays gutes Gefühl verflog schlagartig, und als McCourt nun ans Glas zu hämmern begann, statt nur mit der flachen Hand dagegen zu klatschen, hielt er dessen Faust mit einer Hand fest. »Sparen Sie sich die Mühe«, sagte er. »Sie lassen uns nicht rein, selbst wenn sie noch am Leben und bei Verstand sind.« Er dachte darüber nach, dann

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