Puls
abgefahrene kleine Kolonne aus Streifenwagen hielt mit eingeschalteten Warnlichtern vor dem Ci-tylights und dem verunglückten Duck Boat. Die Polizisten lehnten sich aus den Fenstern. Ein Sportflugzeug - irgendetwas Mittelgroßes, vielleicht eine Cessna oder das Ding, das Twin Bonanza hieß, Clay kannte sich mit Flugzeugen nicht so richtig aus - kam langsam über die Gebäude zwischen dem Hafen und dem Stadtpark herangeflogen und ging dabei zusehends tiefer. Über dem Park beschrieb die Maschine taumelnd eine Kurve, wobei die untere Tragfläche fast den Wipfel eines der herbstbunten Bäume streifte, dann sank sie in den Canyon der Charles Street, als hielte der Pilot die Straße für eine Landebahn. In nur sechs, sieben Meter Höhe kippte sie nach links, und die Tragfläche auf dieser Seite prallte gegen die Fassade des grauen Steingebäudes dort an der Ecke Charles und Beacon Street, vielleicht eine Bank. Jeglicher Eindruck, das Flugzeug sei langsam geflogen, fast gesegelt, verflüchtigte sich in diesem Augenblick. Es kreiselte mit der Gewalt einer Abrissbirne am Ende ihres Seils um die festgehakte Tragfläche, krachte in das Klinkergebäude neben der Bank und verschwand in hellen orangeroten Feuerzungen. Die Druckwelle der Explosion hämmerte über den Park hinweg. Enten flatterten erschrocken auf.
Clay sah nach unten und stellte fest, dass er das Schlachtmesser in der Hand hielt. Er hatte es herausgezogen, während Tom Mc-Court und er beobachtet hatten, wie das Flugzeug abstürzte. Er wischte erst eine Seite der Klinge, dann die andere vorn an seinem Hemd ab, wobei er darauf achtete, sich nicht zu schneiden (jetzt zitterten seine Hände). Dann steckte er es - ganz vorsichtig - bis zum Griff unter seinen Gürtel. Als er das tat, fiel ihm einer seiner frühen Versuche als Comiczeichner ein ... sein Jugendwerk sozusagen.
»Joxter der Pirat steht hier zu Euren Diensten, meine Schöne«, murmelte er.
»Was?«, sagte McCourt. Er stand jetzt neben Clay und starrte in das flammende Inferno des Flugzeugs jenseits des Bostoner Stadtparks. Nur noch das Seitenleitwerk ragte aus den Flammen. Von ihm konnte Clay die Kennung LN6409B ablesen. Darüber war etwas angebracht, das wie das Logo einer Sportmannschaft aussah.
Dann war es ebenfalls fort.
Er konnte spüren, wie die ersten Hitzewellen sanft gegen sein Gesicht lappten.
»Nichts«, sagte er zu dem kleinen Mann in dem Tweedanzug. »Machen wir die Flatter.«
»Hä?«
»Kommen Sie, wir hauen ab.«
»Ah. Okay.«
Clay setzte sich in Bewegung und ging am Nordrand des Parks in die Richtung weiter, in der er um drei Uhr - vor achtzehn Minuten und einer Ewigkeit - unterwegs gewesen war. Tom McCourt beeilte sich, mit ihm Schritt zu halten. Er war wirklich ein sehr kleiner Mann. »Sagen Sie«, erkundigte er sich, »reden Sie oft solchen Unsinn?«
»Klar«, sagte Clay. »Sie brauchen bloß meine Frau zu fragen.«
5
»Wohin gehen wir?«, fragte McCourt. »Ich wollte zur U-Bahn.« Er deutete auf ein grün gestrichenes Kassenhäuschen ungefähr einen Straßenblock weit vor ihnen. Eine kleinere Menschenmenge wogte dort hin und her. »Jetzt weiß ich nicht, ob's noch eine so tolle Idee ist, im Untergrund zu sein.«
»Ich auch nicht«, sagte Clay. »Ich habe ein Zimmer im Hotel Atlantic Avenue Inn. Das ist ungefähr fünf Straßen von hier.«
McCourts Gesicht hellte sich auf. »Das kenne ich, glaub ich. Ist eigentlich in der Louden Street, knapp nicht an der Atlantic Avenue.«
»Genau. Am besten gehen wir dorthin. Dann können wir sehen, was im Fernsehen kommt. Außerdem möchte ich meine Frau anrufen.«
»Vom Zimmertelefon aus.«
»Vom Zimmertelefon aus, richtig. Ich besitze nicht mal ein Handy.«
»Ich habe schon eines, aber das liegt zu Hause. Es ist kaputt. Rafe - meine Katze - hat es von der Küchentheke gestoßen. Ich hatte vor, mir exakt heute ein neues zu kaufen, aber . Also, Mr. Riddell .«
»Clay.«
»Also gut, Clay. Wissen Sie auch bestimmt, dass das Telefon in Ihrem Zimmer sicher ist?«
Clay blieb stehen. Diesen Gedanken hatte er nicht einmal in Betracht gezogen. Aber wenn das Festnetz nicht sicher war, was würde dann sicher sein? Das wollte er gerade zu Tom McCourt sagen, als an der U-Bahn-Station vor ihnen plötzlich eine Schlägerei ausbrach. Es gab Panikschreie, Gekreisch und wieder dieses wilde Gebrabbel - er erkannte es jetzt als das, was es war: die Erkennungsmelodie des Wahnsinns. Die kleine Menschenansammlung, die um den bunkerartigen grauen
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