Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Puls

Puls

Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
sich gegen diese Handlungsweise zur Wehr setzen würde. Draußen sah das Mädchen in dem weißen Kleid sich noch einmal um, dann hämmerte sie fester an die Scheibe. Ihr blutverschmiertes Gesicht war von Entsetzen verzerrt.
    Clay zog das Schlachtmesser aus dem Gürtel. Er hatte es fast vergessen und war etwas erstaunt, wie rasch, wie natürlich es in sein Bewusstsein zurückkehrte. »Aufsperren, Sie Scheißkerl«, sagte er zum Angestellten, »sonst schneide ich Ihnen die Kehle durch.«

10
    »Zu spät!«, rief McCourt und griff sich einen der nachgemachten hochlehnigen Queen-Anne-Stühle, die das Sofa in der Hotelhalle flankierten. Er trug ihn mit erhobenen Stuhlbeinen vor sich her, als er gegen die zweiflüglige Tür anrannte.
    Das Mädchen sah ihn kommen, wich zurück und hob dabei die Hände schützend vors Gesicht. Gleichzeitig erschien der Mann, der sie verfolgte, draußen vor dem Hoteleingang. Es war ein bulliger Bauarbeitertyp mit einem gewaltigen Wanst, der sein gelbes T-Shirt vorn auswölbte, und einem fettigen, grau melierten Pferdeschwanz, der über seinem Nacken wippte.
    Die Stuhlbeine trafen die Glasfüllungen der zweiflügligen Tür: Die beiden linken Beine ließen ATLANTIC AVENUE INN zersplittern, und die beiden rechten zertrümmerten BOSTONS BESTE ADRESSE. Die auf der rechten Seite rammten gegen die muskulöse, gelb bekleidete linke Schulter des Bauarbeitertyps, als er eben das Mädchen am Hals packte. Die Unterseite des Stuhlsitzes prallte gegen den massiven Rahmen, wo die beiden Türflügel sich trafen, und Tom McCourt taumelte benommen rückwärts.
    Der Bauarbeitertyp fing an, den In-Zungen-sprechen-Nonsens zu brüllen, und über die sommersprossige Haut seines linken Bizeps lief Blut aus einer Platzwunde. Das Mädchen schaffte es, sich loszureißen, aber dann verhedderten sich ihre Füße; sie stürzte, blieb halb auf dem Gehsteig, halb im Rinnstein liegen und schrie vor Angst und Schmerzen auf.
    Clay stand von einer der zersplitterten Glasfüllungen eingerahmt da, wusste nicht mehr, wie er den Raum durchquert hatte, und konnte sich auch nur vage daran erinnern, den Stuhl weggestoßen zu haben. »He, Drecksack!«, rief er und war halbwegs ermutigt, als der verrückte Redefluss für einen Augenblick versiegte und der große Kerl wie erstarrt dastand. »Genau, dich meine ich!«, rief Clay. »Ich rede mit dir!« Und dann, weil ihm nichts anderes einfiel: »Ich hab deine Mama gebumst, und das war 'n ziemlich dröger Fick!«
    Der bullige Verrückte mit dem gelben T-Shirt stieß einen Laut aus, der auf unheimliche Weise wie das klang, was Power Suit Woman kurz vor ihrem Ende gerufen hatte - so unheimlich wie Räst! -, und drehte sich ruckartig nach dem Gebäude um, das plötzlich Zähne und eine Stimme besaß und ihn angegriffen hatte. Was er auch sah, es konnte nicht ein grimmig entschlossener Mann mit schweißnassem Gesicht sein, der sich mit einem Messer in der Hand aus einer rechteckigen Öffnung lehnte, die vor kurzem noch verglast gewesen war, jedenfalls musste Clay überhaupt nicht angreifen. Der Mann in dem gelben T-Shirt stürzte sich geradezu in die hochgehaltene Klinge des Schlachtmessers. Der Schwedenstahl stieß mühelos in die sonnenverbrannten Kehllappen unter dem Kinn und löste einen roten Wasserfall aus. Er ergoss sich über Clays Hand, verblüffend heiß - fast wie frisch aufgebrühter Kaffee, so erschien es ihm -, und er musste gegen den Drang ankämpfen, sie zurückzureißen. Stattdessen stieß er aber weiter zu, bis er spürte, dass das Messer auf Widerstand traf. Er zögerte, aber das Ding war nicht aufzuhalten. Die Klinge durchstieß Knorpel, dann trat die Spitze im Nacken des großen Mannes aus. Er fiel nach vorn - Clay konnte ihn nicht mit einem Arm halten, völlig unmöglich, der Kerl musste hundertzwanzig, vielleicht sogar hundertvierzig Kilo wiegen - und lehnte einen Augenblick an der Tür wie ein Betrunkener an einem Laternenpfahl: mit hervorquellenden braunen Augen, einer aus dem Mundwinkel hängenden nikotinfleckigen Zunge, sein Hals weiter Blut sprudelnd. Dann gaben seine Knie nach, und er brach zusammen. Clay hielt den Messergriff umklammert und staunte darüber, wie leicht die Klinge sich wieder herausziehen ließ. Viel leichter als aus dem Leder und der verstärkten Presspappe der Künstlermappe.
    Nachdem der Verrückte zu Boden gegangen war, konnte er wieder das Mädchen sehen, das ein Knie auf dem Gehsteig und eines im Rinnstein hatte und durch den Haarvorhang vor

Weitere Kostenlose Bücher