Puls
reckte den Kopf hoch, um an McCourts sorgfältig gestutztem Schnurrbart zu schnüffeln.
»Genau, du hast mir auch gefehlt«, sagte McCourt. »Glaub mir, alles ist vergeben.« Er trug Rafe über die verglaste Veranda ins Haus und streichelte ihn dabei am Kopf. Clay, der die Nachhut bildete, machte die Tür hinter sich zu und ließ die Sperrklinke des Schlosses einrasten, bevor er sich wieder zu den anderen gesellte.
»Geradeaus weiter in die Küche«, sagte McCourt, als sie im eigentlichen Haus waren. Hier roch es angenehm nach Möbelpolitur und - so vermutete Clay - Leder: ein Geruch, den er mit Männern in Verbindung brachte, die ein ruhiges Leben führten, eines, in dem nicht unbedingt Frauen eine Rolle spielten. »Zweite Tür rechts. Bleibt dicht bei mir. Der Flur ist breit und hindernisfrei, aber auf beiden Seiten stehen Tische, und so stockfinster wie's hier ist . Aber das seht ihr ja selbst, glaube ich.«
»Gewissermaßen«, sagte Clay.
»Ha-ha.«
»Haben Sie irgendwo Taschenlampen?«, fragte Clay.
»Stablampen und eine Sturmlaterne, die noch nützlicher sein dürfte, aber erst wollen wir zusehen, dass wir in die Küche kommen.«
Sie folgten ihm den Flur entlang, wobei Alice zwischen den beiden Männern blieb. Clay konnte hören, wie sie hastig atmete, während sie sich bemühte, in dieser ungewohnten Umgebung nicht auszuflippen, was natürlich schwierig war. Teufel, es war sogar für ihn schwierig. Desorientierend. Alles wäre besser gewesen, wenn irgendwo ein winziges Licht gebrannt hätte, aber .
Er stieß mit dem Knie gegen einen der von McCourt erwähnten Tische, und etwas, das nur darauf zu warten schien, zerbrechen zu können, ließ ein Zähneklappern hören. Clay machte sich auf das Zerschellen gefasst - und auf Alice' Kreischen. Dass sie kreischen würde, stand praktisch fest. Dann beschloss der unbekannte Gegenstand - eine Vase oder eine Porzellanfigur -, noch etwas weiterzuleben, und kam wieder zur Ruhe. Irgendwie schienen sie sehr lange unterwegs zu sein, bis McCourt sagte: »Hier, okay? Scharf rechts.«
In der Küche war es fast so finster wie auf dem Gang, und Clay hatte einen Augenblick Zeit, um an all die Dinge zu denken, die er hier vermisste und die McCourt noch mehr vermissen musste: die Digitalanzeige der Mikrowelle, das Summen des Kühlschranks und vielleicht etwas Licht aus dem Nachbarhaus, das durch das Fenster über der Spüle einfiel und dem Wasserhahn Glanzlichter aufsetzte.
»Hier ist der Tisch«, sagte McCourt. »Alice, ich nehme dich jetzt an der Hand. Hier ist ein Stuhl, okay? Tut mir Leid, dass wir hier Blindekuh spielen müssen.«
»Schon g...«, begann Alice, aber dann stieß sie einen spitzen Schrei aus, dass Clay beinahe einen Satz machte. Seine Hand lag auf dem Griff des Messers (das er jetzt als seines betrachtete), bevor er überhaupt merkte, dass er danach gegriffen hatte.
»Was ist?«, fragte McCourt in scharfem Ton. »Was?«
»Nichts«, sagte sie. »Bloß die ... nichts. Die Katze. Ihr Schwanz ... an meinem Bein.«
»Oh. Tut mir Leid.«
»Schon gut. Dämlich«, fügte sie mit einer Selbstverachtung hinzu, die Clay im Dunkel zusammenzucken ließ.
»Nein«, sagte er. »Lass dich ruhig gehen, Alice. Wir haben alle einen schweren Tag im Büro hinter uns.«
»Einen schweren Tag im Büro!«, wiederholte Alice und begann auf eine Art zu lachen, die Clay nicht mochte. Sie erinnerte ihn an den Ton, in dem sie Toms Haus wunderhübsch genannt hatte. Irgendwann dreht sie durch, sagte er sich, und was mache ich dann?
Im Film kriegt ein hysterisches Mädchen unweigerlich eine Ohrfeige, die immer hilft, aber im Film weiß man natürlich, was ihr fehlt.
Er wollte sie nicht ohrfeigen, schütteln oder in die Arme schließen, womit er's vermutlich zuerst versucht hätte. Sie schien zu begreifen, was in ihrer Stimme lag, bekam es zu fassen und rang es nieder: erst zu einem erstickten Würgen, dann zu einem Keuchen, dann zu Stille.
»Setz dich«, sagte McCourt. »Du bist bestimmt müde. Sie auch, Clay. Ich hole uns jetzt etwas Licht.«
Clay tastete nach einem Stuhl und setzte sich an einen Tisch, den er kaum sehen konnte, obwohl seine Augen sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt haben mussten. Irgendetwas streifte leicht sein Hosenbein, immer wieder. Ein leises Miauen. Rafe.
»He, weißt du was?«, sagte er zu der schemenhaften Mädchengestalt, nachdem McCourts Schritte sich entfernt hatten. »Jetzt hat der olle Rafe auch mir einen Schreck eingejagt.« Obwohl der
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