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Puls

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Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Kater das nicht getan hatte, eigentlich nicht.
    »Das müssen wir ihm nachsehen«, sagte Alice. »Ohne die Katze wäre Tom so verrückt wie alle anderen. Und das wäre doch schade.«
    »Allerdings.«
    »Ich hab solche Angst«, sagte sie. »Glauben Sie, dass es morgen besser wird, wenn's wieder hell ist? Dass es mit der Angst besser wird?«
    »Das kann ich nicht sagen.«
    »Sie machen sich bestimmt schreckliche Sorgen um Ihre Frau und den Kleinen.«
    Clay seufzte und rieb sich das Gesicht. »Das Schwierigste ist, mit der Hilflosigkeit fertig zu werden. Wir leben nämlich getrennt, und ...« Er hielt inne und schüttelte den Kopf. Er hätte nicht weitergesprochen, hätte sie nicht über den Tisch hinweg seine Hand ergriffen. Ihre Finger waren fest und kühl. »Wir haben uns im Frühjahr getrennt. Wir leben weiter in derselben Kleinstadt und führen eine Ehe auf Bewährung, wie meine Mutter gesagt hätte. Meine Frau ist Lehrerin an der Grundschule.«
    Er beugte sich nach vorn und versuchte in der Dunkelheit ihr Gesicht zu sehen.
    »Weißt du, was das Schlimmste ist? Wäre dieser Scheiß im Frühjahr passiert, wäre Johnny bei ihr gewesen. Aber seit September geht er auf eine Schule, die fast fünf Meilen entfernt ist. Ich versuche dauernd, mir auszurechnen, ob er zu Hause gewesen sein kann, als alles durchgedreht hat. Seine Klassenkameraden und er fahren immer mit dem Bus. Ich glaube , dass er zu Hause gewesen ist. Und ich glaube, er wäre sofort zu ihr gelaufen.«
    Oder er hätte sein Handy aus dem Schulranzen gezogen und sie angerufen!, schlug die Panikratte fröhlich vor ... und biss dann zu. Clay merkte, dass seine Finger unwillkürlich Alice' Hand fester umklammerten, und zwang sich zum Aufhören. Aber er konnte nicht verhindern, dass ihm auf Stirn und Armen der Schweiß ausbrach.
    »Aber Sie wissen es nicht genau«, sagte sie.
    »Nein.«
    »Mein Daddy hat in Andover ein Rahmengeschäft, in dem er auch Kunstdrucke verkauft«, sagte sie. »Ich bin mir sicher, dass mit ihm alles in Ordnung ist, er ist sehr selbständig, aber er wird sich Sorgen machen. Um mich und meine . Meine Sie-wissen-schon.«
    Clay wusste es.
    »Ich frage mich dauernd, was er zum Abendessen bekommen hat«, sagte sie. »Ich weiß, dass das verrückt ist, aber er kann kein bisschen kochen.«
    Clay überlegte, ob er Alice fragen sollte, ob ihr Vater ein Handy besaß, aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Stattdessen sagte er: »Geht's im Augenblick einigermaßen?«
    »Ja«, sagte sie und zuckte mit den Schultern. »Was mit ihm passiert ist, ist passiert. Ich kann's nicht ändern.«
    Er dachte: Ich wollte, das hättest du nicht gesagt.
    »Mein Kleiner hat ein Handy, hab ich dir das schon erzählt?« In den eigenen Ohren klang seine Stimme so misstönend wie Krähengekrächz.
    »Ja, das haben Sie. Bevor wir über die Brücke gegangen sind.«
    »Klar, stimmt.« Er zwang sich dazu, nicht weiter auf der Unterlippe herumzukauen. »Aber er vergisst oft, es zu laden. Wahrscheinlich hab ich das auch schon erzählt.«
    »Ja.«
    »Ich weiß einfach nicht, wie ich was herauskriegen kann.« Jetzt war die Panikratte aus ihrem Käfig ausgebrochen. Sie lief herum und biss zu.
    Mittlerweile bedeckte sie mit beiden Händen die seinen. Er wollte sich nicht auf ihren Trost einlassen - es war schwierig, etwas von der eigenen Selbstbeherrschung aufzugeben und ihren Trost zu akzeptieren -, aber er tat es doch, weil er vermutete, dass für sie das Geben wichtiger als für ihn das Nehmen war. Auf diese Weise hielten sie sich neben den zinnernen Salz- und Pfefferstreuern über den Tisch hinweg an den Händen, als McCourt mit vier Stablampen und einer noch im Karton verpackten Sturmlaterne aus dem Keller heraufkam.

8
    Die Sturmlaterne gab genug Licht, um die Taschenlampen überflüssig zu machen. Sie leuchtete grell weiß, aber Clay gefiel ihre Helligkeit, mit der sie alle Schatten bis auf den eigenen vertrieb -und den der Katze, der sich wie eine aus schwarzem Krepppapier ausgeschnittene Halloween-Dekoration fantastisch an den Wänden hochreckte.
    »Irgendwie sollten Sie die Vorhänge zuziehen«, sagte Alice.
    McCourt war eben dabei, einen der zweiseitig mit FÜR HUNDE und FÜR MENSCHEN bedruckten Beutel aus dem Metropolitan Cafe zu öffnen. Er machte eine Pause und musterte Alice neugierig. »Warum?«
    Sie zuckte die Achseln und lächelte. Clay fand, dass es das seltsamste Lächeln war, das er je auf dem Gesicht eines Teenagers gesehen hatte. Sie hatte sich das Blut von

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