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Puls

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Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Clay.
    »Ihm vielleicht, aber mir nicht«, sagte McCourt. Er sprach mit derselben kalten Geschäftsmäßigkeit wie zuvor. »Sie haben unseren Schützling terrorisiert.«
    Die Mollige lachte halblaut, aber in ihren Augen standen Tränen. »Schützling! Ich habe schon viele Wörter dafür gehört, aber das noch nie. Als ob ich nicht wüsste, was Männer wie ihr von einem zarten Mädchen wie ihr wollt - vor allem in Zeiten wie diesen. ›Und sie taten nicht Buße für ihre Hurerei noch ihre Unzucht, noch ihre ...‹«
    »Klappe halten«, sagte McCourt, »sonst schlage ich auch zu. Und im Gegensatz zu meinem Freund, der meiner Meinung nach das Glück hatte, nicht bei heiligen Hannas aufzuwachsen, und Sie deshalb nicht durchschaut, schlage ich nicht verhalten zu. Sie sind also gewarnt - kein Wort mehr.« Er hielt ihr die Faust vor die Augen, und obwohl Clay bereits zu dem Schluss gekommen war, dass McCourt ein gebildeter Mann war, zivilisiert und unter gewöhnlichen Umständen kein großer Schläger, war er beim Anblick dieser kleinen, angestrengt geballten Faust unwillkürlich bestürzt, so als sähe er ein Omen für das kommende Zeitalter.
    Die mollige Frau sah sie an und schwieg. Eine große Träne lief über das Rouge auf ihrer Wange.
    »Das reicht, Tom, mir fehlt nichts«, sagte Alice.
    McCourt ließ der Molligen die Tragetasche mit ihren Habseligkeiten in den Schoß fallen. Clay hatte nicht mal mitbekommen, dass McCourt sie gerettet hatte. Dann nahm sich McCourt die Bibel von Alice, öffnete die eine beringte Hand der molligen Frau und klatschte die Bibel mit dem Rücken voraus hinein. Er wollte sich gerade schon abwenden, da drehte er sich noch einmal um.
    »Tom, das reicht, lassen Sie sie«, sagte Clay.
    McCourt ignorierte ihn. Er beugte sich zu der Frau hinunter, die mit dem Rücken an der Stütze des Ausfahrtschilds lehnte. Er hatte die Hände dabei auf den Knien liegen, und Clay erschienen die beiden - die mollige, bebrillte Frau, die zu ihm aufsah, und der bebrillte kleine Mann mit den auf die Knie gestützten Händen - wie die parodistischen Gestalten von Irrsinnigen auf den frühen Illustrationen zu Charles Dickens' Romanen.
    »Ein Ratschlag, Schwester«, sagte McCourt. »Die Polizei beschützt Sie nicht mehr so wie früher, als Sie und Ihre selbstgerechten, scheinheiligen Freunde vor den Beratungsstellen für Familienplanung oder der Emily Cathcart Clinic in Waltham aufmarschiert sind .«
    »Diese Abtreibungsfabrik!«, fauchte sie und hob dann die Bibel, wie um einen Schlag abzuwehren.
    McCourt schlug nicht zu, aber er lächelte grimmig. »Was mit der Schale des Wahnsinns ist, weiß ich nicht, aber heute Nacht passiert reichlich viel Verrücktes. Soll ich's deutlicher sagen? Die Löwen sind los, und Sie werden womöglich zu spüren bekommen, dass die vorlauten Christen als Erste gefressen werden. Irgendjemand hat Ihr Recht auf freie Rede heute Nachmittag gegen drei Uhr gestrichen. ›Wer Ohren hat, der höre!‹« Sein Blick ging von Alice zu Clay hinüber, und Clay sah die Oberlippe unter dem Schnurrbart leicht zittern. »Gehen wir?«
    »Ja«, sagte Clay.
    »Wow«, sagte Alice, als sie dann den Schnaps-Discountladen hinter sich ließen und zur Ausfahrtsrampe Salem Street weitergingen. »Sie sind wohl mit so jemandem aufgewachsen, was?«
    »Mit meiner Mutter und ihren beiden Schwestern«, sagte Mc-Court. »Erste Neuengländische Kirche von Christus dem Erlöser. Sie haben Jesus als ihren persönlichen Heiland angenommen, und dann hat die Kirche sie persönlich ausgenommen.«
    »Wo ist Ihre Mutter jetzt?«, fragte Clay.
    McCourt sah kurz zu ihm hinüber. »Im Himmel«, sagte er. »Außer sie ist auch in diesem Punkt beschummelt worden. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass die Dreckskerle das getan haben.«

5
    In der Nähe des Stoppschilds am unteren Ende der Ausfahrtsrampe prügelten zwei Männer sich um ein Fässchen Bier. Hätte Clay raten sollen, hätte er gesagt, das Fässchen sei vermutlich aus Mister Big's Giant Discount Liquor befreit worden. Jetzt lag es vergessen an der Leitplanke - zerbeult und mit auslaufendem Schaum -, während die beiden Männer, beide kräftig und beide blutend, einander mit den Fäusten bearbeiteten. Alice suchte unwillkürlich Clays Nähe, und er legte ihr einen Arm um die Schultern, aber diese Raufbolde hatten etwas fast Beruhigendes an sich. Sie waren wütend - aufgebracht -, aber nicht verrückt. Nicht wie die Leute in der Großstadt hinter ihnen.
    Einer der beiden war

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