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Puls

Puls

Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Norden. Ab dafür!«

GAITEN ACADEMY
1
    Als der nächste Morgen regnerisch heraufdämmerte, kampierten Clay, Alice und Tom in der Scheune einer verlassenen Pferderanch in North Reading. Vom Scheunentor aus beobachteten sie, wie die ersten Schwärme von Verrückten auftauchten, die auf der Route 62 nach Südwesten in Richtung Wilmington zogen. Ihre Kleidung sah einheitlich durchnässt und abgetragen aus. Manche hatten keine Schuhe an. Bis Mittag versiegte der Strom. Gegen vier Uhr, als die Sonne mit langen speichenförmigen Strahlen durch die Wolken brach, kehrten die Schwärme aus der Richtung zurück, in die sie gezogen waren. Viele der Gestalten kauten irgendetwas. Manche halfen denen, die schlecht zu Fuß waren. Falls auch an diesem Tag Morde verübt wurden, bekamen Clay, Tom und Alice sie nicht zu sehen.
    Ungefähr ein halbes Dutzend der Verrückten schleppten große Objekte, die Clay vertraut vorkamen; Alice hatte ein solches davon im Kleiderschrank in Toms Gästezimmer entdeckt. Sie hatten zu dritt darum herumgestanden und nicht den Mut gehabt, es einzuschalten.
    »Clay?«, sagte Alice. »Warum tragen ein paar von denen einen Gettoblaster?«
    »Keine Ahnung«, sagte er.
    »Das gefällt mir nicht«, sagte Tom. »Mir gefällt nicht, dass sie Schwärme bilden, mir gefällt nicht, dass sie einander helfen, und mir gefällt am allerwenigsten, dass sie diese großen Stereoanlagen mit sich herumschleppen.«
    »Das tun nur ein paar, die ...«, begann Clay.
    »Da, sieh sie dir an!«, unterbrach Tom ihn, indem er auf eine Frau mittleren Alters zeigte, die mit einem Radiorekorder von der Größe eines Sitzkissens in den Armen den Highway 62 entlangstolperte. Sie hielt ihn an ihren Busen gepresst wie ein schlafendes Kleinkind. Das Elektrokabel baumelte aus dem kleinen Fach auf der Rückseite und schleifte neben ihr über die Straße. »Und man sieht keine, die Lampen oder Toaster tragen, stimmt's? Was ist, wenn sie dafür programmiert sind, batteriebetriebene Radios aufzustellen und einzuschalten, damit sie diesen Ton, den Puls, die unterschwellige Botschaft, was auch immer ausstrahlen? Was ist, wenn sie die erwischen wollen, die ihnen beim ersten Mal durch die Lappen gegangen sind?«
    Sie. Das immer beliebte paranoide sie. Alice hatte irgendwoher den kleinen Turnschuh herausgeholt und drückte ihn mit einer Hand, als sie dann aber sprach, klang ihre Stimme ganz ruhig. »Ich glaube nicht, dass es das ist«, sagte sie.
    »Wieso nicht?«, fragte Tom.
    Sie schüttelte den Kopf. »Schwer zu sagen. Nur dass es gefühlsmäßig nicht richtig ist.«
    »Weibliche Intuition?« Tom lächelte, aber es war kein spöttisches Lächeln.
    »Kann sein«, sagte sie. »Aber eins ist irgendwie offensichtlich.«
    »Was denn, Alice?«, fragte Clay. Er ahnte, was sie sagen würde, und seine Vermutung erwies sich als richtig.
    »Sie werden schlauer. Nicht jeder für sich, sondern weil sie gemeinsam denken. Das klingt vielleicht verrückt, aber ich halte es für wahrscheinlicher, als dass sie einen Riesenhaufen von batteriegetriebenen Gettoblastern zusammentragen, um uns alle mit voller Lautstärke in den Wahnsinn zu treiben.«
    »Telepathisches Gruppendenken«, sagte Tom. Er dachte darüber nach. Alice beobachtete ihn dabei. Clay, der bereits zu dem Schluss gelangt war, dass Alice richtig lag, sah aus dem Scheunentor in den schwindenden Tag hinaus. Er überlegte sich, dass sie irgendwo Halt machen und sich einen Autoatlas besorgen sollten.
    Schließlich nickte Tom. »Tja, warum auch nicht. Schließlich dürfte das hinter ihrer Schwarmbildung stecken: telepathisches Gruppendenken.«
    »Bist du wirklich davon überzeugt, oder sagst du das nur, damit ich ...«
    »Das denke ich wirklich«, sagte Tom. Er legte eine Hand auf ihre, mit der sie hektisch mit dem Turnschuh spielte. »Ganz wirklich. Lass das Ding mal einen Augenblick in Ruhe, ja?«
    Sie bedachte ihn mit einem flüchtigen, zerstreuten Lächeln. Clay sah es und dachte wieder, wie schön sie war, wie wirklich schön. Und wie kurz davor, zusammenzubrechen. »Das Heu sieht weich aus, und ich bin müde. Ich glaube, ich mache ein schön langes Nickerchen.«
    »Tu dir keinen Zwang an«, sagte Clay.

2
    Clay träumte, Sharon und Johnny-Gee und er veranstalteten hinter ihrem kleinen Haus in Kent Pond ein Picknick. Sharon hatte ihre Navajodecke im Gras ausgebreitet. Es gab Sandwichs und Eistee. Plötzlich verfinsterte sich der Tag. Sharon deutete über Clays Schulter und sagte: »Sieh nur!

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