Pulverfass Iran
offiziell lautete, stolz das 250 0-jährige Jubiläum der persischen Monarchie gefeiert. Für Staatsgäste aus aller Welt wurde vor den Toren der alten Achämenidenresidenz Persepolis eine luxuriöse Zeltstadt aufgebaut, in der sich der Schah als Nachfolger des ersten persischen Herrschers Kyros des Großen feiern ließ.
Auch Ahmadinedschad beruft sich inzwischen auf die jahrtausendealte Kultur und Zivilisation Persiens. Das iranische Atomprogramm soll ihm dabei als Eintrittskarte in den Club der Mächtigen dienen. So wird der Präsident nicht müde, iranische Wissenschaftler für ihre Fortschritte zu loben: „Ich erkläre hiermit, dass der Iran eine wirkliche Weltmacht geworden ist, wir aber unsere Macht nur für Frieden, Brüderlichkeit und Gerechtigkeit einsetzen werden.“ Auch präsentiert und inszeniert sich Ahmadinedschad, wenn er öffentlich auftritt, als sei er nicht nur Präsident Irans, sondern Sprecher der ganzen islamischen Welt und der geistliche Führer seiner Religion.
Ohne Zweifel ist Ahmadinedschad binnen kurzer Zeit zu einer bedeutenden Figur auf der Weltbühne geworden. Er redet |37| und handelt so, als sei Iran schon eine ernst zu nehmende Weltmacht geworden. Er droht den Juden, dass sie in Palästina am falschen Ort seien. Er belehrt die Deutschen, dass der Holocaust nie existiert habe, und er will Amerika und dem Westen erklären, dass das Konzept der Demokratie und des Liberalismus gescheitert sei.
Kompromisse sind in diesem Weltbild nicht vorgesehen. Ahmadinedschad stellt Forderungen auf, er verhandelt nicht. Und aus den Schwierigkeiten der Weltgemeinschaft, ihm entgegenzutreten und Grenzen zu ziehen, folgert er, dass er historisch im Recht sei. 14
Ahmadinedschad glaubt auf einer göttlichen Mission zu sein und dass diejenigen, die an Gott glauben, unschlagbar seien. Sein Glaube an den verborgenen Imam und eine gerechte Ordnung nach seiner Wiederkehr lässt ihm die weltweite Ordnung als verachtenswert erscheinen. Ahmadinedschad ist angetreten, die Welt zu verändern und er ist bereit, dafür in den Kampf zu ziehen. 15
Machtkampf mit den Mullahs
Der Machtkampf zwischen Hardlinern, Reformern und Technokraten hat von 1979 bis heute das Erbe der Islamischen Revolution bedroht. Nicht erst seit den blutigen Unruhen nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 hat sich die Machtkonstellation im Gottesstaat grundlegend verändert. Der Oberste Religiöse Führer Chamenei hat die Revolutionsgarden und die Volksmilizen der Bassidsch nach der Islamischen Revolution 1979 zum wichtigsten Machtzentrum des Gottesstaates erhoben. Sie waren einst das Fußvolk der Islamischen Revolution und der Sturmtrupp im Iran-Irak-Krieg. Darauf gründet sich bis heute ihre Legitimation, auch wenn sie durch die Ereignisse nach den Unruhen 2009 ihre vermeintliche Autorität als Sittenwächter eingebüßt haben.
|38| Dass die Demonstranten im Juni 2009 Bilder des Obersten Religiösen Führers verbrannten, war nicht nur bis dahin einmalig, sondern zeigt auch, dass die Autorität Ayatollah Chameneis stark angekratzt ist. Chamenei, der als leukämiekrank gilt, hatte sich in den Tagen der blutigen Proteste mit einem Hubschrauber über Teheran fliegen lassen und mit Erstaunen die Masse der Demonstranten beobachtet. Dabei soll er eine gehörige Portion Angst bekommen und entschieden haben, den umstrittenen Präsidenten Ahmadinedschad zu stützen, um selbst nicht vollends die Macht zu verspielen. Gleichzeitig verpasste er somit die Chance, als Oberster Religionsgelehrter eine vermittelnde Rolle einzunehmen und möglicherweise mit einem „neuen alten“ Präsidenten Mussawi einen Neuanfang zu wagen. Präsident Ahmadinedschad wiederum steht mit dem Rücken zur Wand. Nicht zuletzt durch seinen Zickzackkurs in der Atompolitik ist er international isoliert und glaubt den Iran außenpolitisch von Israel bedroht. Innenpolitisch steht Iran vor einem ökonomischen Desaster. Doch weder Chamenei noch Ahmadinedschad scheinen in der Lage zu sein, den alten Herrschaftskonsens wiederherzustellen. Das könnte die Vorstufe für einen Staatsstreich zum Sturz beider sein – entweder durch eine erneute Volksbewegung oder durch einen starken Mann, der als Nachfolger Chameneis Brücken in alle Lager schlagen kann. Akbar Haschemi Rafsandschani, die graue Eminenz, schien lange Zeit als Sieger aus dem Machtkampf zwischen Chamenei und Ahmadinedschad hervorzugehen. Ihm war es einst gelungen, Revolutionsführer Chomeini am Sterbebett zu
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