Pulverturm
regte die Oberflächlichkeit von Mosbichl zusehends auf und fragte aufgebracht: »In welchem Büro denn?«, doch Mosbichl zuckte nur mit den Schultern.
Schachnik ahnte Böses, als er fragte: »Und woher weißt du, dass sie in Lustenau wohnt und in einem Büro arbeitet?«
»Ermittlungsarbeit. Erst habe ich mir einen Computerauszug vom Melderegister geholt. Die hat sich tatsächlich anständig angemeldet.«
Schachnik verzog den Mund. »Ist ja auch kein Problem, sie hat ja jetzt ihren Pass und ein perfektes Visum. Außerdem ist sie nicht so blöde wie du. Sie war schließlich Lehrerin da drüben.«
Mosbichl ging nicht darauf ein, obwohl er sich fragte, woher Schachnik so viel wusste. »Ich habe dann halt in Bregenz angerufen und die lieben Kollegen dort gebeten, sich nach einer Yulia Kavan zu erkundigen. Die waren absolut hilfsbereit. Ein Walther Lurzer hat sich der Sache angenommen und mir mitgeteilt, wo genau Yulia Kavan wohnt und arbeitet, dass die Kleine in die Schule geht und das seiner Meinung nach einen sehr ordentlichen Eindruck mache.«
»Und dieser freundliche Kollege hat das einfach so gemacht, ohne zu fragen, worum es geht?«
»Natürlich hat er danach gefragt. War doch eh klar. Ich habe ihm eben gesagt, dass wir hier Ermittlungen im Dunstkreis von Prostitution und Menschenschmuggel hätten.«
Schachnik war fassungslos. »Du bist ja wirklich das Kronjuwel der Doofen!«
Mosbichl verstand nicht.
»Was machst du bitte, wenn da drunten am Bodensee was schiefgeht und die Vorarlberger auf die Idee kommen, sich die Akten deiner Superermittlung kommen zu lassen und feststellen, dass es gar keine gibt. Und was bitte kommt raus, wenn man dann nachsieht, welche Computerabfragen, welche Listenausdrucke sich Herr Oberinspektor so hat machen lassen …?«
Mosbichl schüttelte störrisch den Kopf. »Vorarlberger kommen auf keine Ideen.«
Schwabentour
Schielin hatte die Sonne im Rücken als er Lindau nach Norden hin verließ und den Schönbühl hochfuhr. Ein kaltes von keinem Schleier getrübtes Blau leuchtete ihm entgegen. Auf der Autobahn ging es zügig voran an diesem Mittwoch, und auch die Baustellen bei Wangen und Leutkirch waren erträglich zu überwinden. Schielin war die Strecke wohlvertraut. Seit über dreißig Jahren wurde nun an der Autobahn zwischen Lindau und München schon gebaut. Welch ein Projekt!, das sich, was die Bauzeit betraf, auf einer Stufe mit der Cheopspyramide oder dem Chateau Chambord im Loiretal befand.
In Memmingen erwartete ihn die geschäftige Kühle des rechtsmedizinischen Sektionsbereichs. Ottmar Kinker lag nackt auf dem Stahltisch. Unter seinen Nacken war ein Kunststoffblock geschoben worden, sodass der Kopf frei nach hinten hing. Es sah schmerzhaft aus.
Professor Schapelski war klein und rundlich, und entgegen der landläufigen Meinung, die einem Mann von seiner Figur ein nicht geringes Maß an Gleichmut, Ausgeglichenheit und Gemütlichkeit nachsagte, ein im Übermaß hektischer Mensch.
Schon als er den Raum betrat, musste sich Schielin konzentrieren, um nicht von dieser auf eigenwillige Weise kontrollierten Unruhe erfasst zu werden. Schapelski kam mit schnellen Schritten in den Raum, grüßte Schielin gedankenverloren, stoppte abrupt, fasste sich überlegend mit der rechten Hand an das Kinn, schüttelte den Kopf, drehte sich um, ging ein paar Schritte, immer noch überlegend zurück, um dann, wie von Ferne gesteuert, ebenso hektisch wieder zu wenden und endlich an den Stahltisch heranzutreten. Dann fingerte er aufgeregt am neuen digitalen Diktiergerät herum, was durch die Inkompatibilität zwischen der Finesse moderner Steuerungseinrichtungen und Schapelskis kurzen, dicken Fingern schon rein motorisch zu Schwierigkeiten führte. Schielin kannte das Procedere schon und hütete sich, helfend eingreifen zu wollen.
Endlich waren die Vorbereitungen getroffen. Schapelski wurde für einen Augenblick still, legte die Fingerspitzen beider Hände aufeinander und sagte laut: »Nuuun«, wobei er den Leichnam eingehend inspizierte. Dann legte er los.
Es ging alles fix. Immer wieder sprach er Schielin an, der jedoch nicht antwortete, sondern sich in eine Ecke des Raumes zurückgezogen hatte, an einem Stahltisch lehnte und wartete.
Es waren zwei wesentliche Verletzungen feststellbar. Ein schmaler Einstich unterhalb des Rippenbogens und eine Platzwunde auf der rechten Schädelseite zwischen Ohr und Schläfe. Die sichtbaren Quetschungen des Gewebes und die im Blut verklebten Haare
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