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Pulverturm

Pulverturm

Titel: Pulverturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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Fotostudio entstanden war. Auf der Rückseite befand sich kein Hinweis. Schielin steckte es in die Brusttasche seines Jacketts. Was den Rest der Schubladen betraf, würde er alles mitnehmen müssen, denn es war unmöglich, die Sachen hier zu sichten. Auf Schielins Bitte hin warf Dr. Schlorber einen oberflächlichen Blick auf die Unterlagen, um sich zu vergewissern, dass keine Firmenkorrespondenz dabei war. In einem Schnellhefter, den sie durchblätterte, waren ellenlange Listen mit Grundstücks- und Gebäudebeschreibungen, nichts Wichtiges also. Desinteressiert warf sie noch einen Blick auf die andern Dinge, die Schielin mitnehmen wollte, und holte dann zwei große, kräftige Tüten, in denen Schielin die ganzen Sachen transportieren konnte.

    Die Tüten verstaute er im Auto, dann eilte er zum Gänsbühl. Dort ging es ganz schnell. Eine DVD war bereits für ihn hinterlegt worden. Er schnappte sie und machte sich sofort auf den Weg in die Rudolfstraße, wo die Ravensburger Kripokollegen ihr Unterkommen hatten. Es war ihm wichtig, sich dort blicken zu lassen, und sie nun persönlich über die Sachlage zu informieren. Es wurde ein angenehmes Gespräch, und die Ravensburger Kollegen hatten den eindeutig besseren Kaffee.
    Er beeilte sich danach, zurück nach Lindau zu kommen. Der Inhalt der Tüten, die auf der Rückbank in jeder Kurve raschelten, interessierte ihn brennend. So hatte er keinen Blick für den Traum einer Landschaft, durch die ihn die Bundesstraßen dreißig und zweiunddreißig leiteten. Er war gerade mitten in Kressbronn, als das Handy klingelte. Lydia war dran. Es war etwas kryptisch, was sie ihm sagte. Sie hätten zwar nichts gefunden, aber das würde auch etwas sein. Am Telefon wollte sie nicht mehr sagen, da sie wusste, dass Schielin nicht anhalten würde. Sie legte auf.
    *
    Dr. Böhle saß bleich hinter seinem marmornen Schreibtisch und dachte nach. Abrupt stand er auf, ging zur Tür und kontrolliere, ob sie geschlossen war. Dann nahm er sein Handy, drückte eine Zielwahl, ging zum Fenster und sprach gepresst gegen die romantischen Fassaden Ravensburgs. Für ihre Schönheit, ihre historische Sprache, hatte Dr. Böhle keinen Blick. Er stöhnte, als sich am anderen Ende eine hohe Männerstimme meldete.

    »Die Polizei war hier.«
    …
    »Nein, keine Durchsuchung. Ein Polizist aus Lindau. Er hat nur Fragen gestellt.«
    …
    »Ja, was weiß denn ich! Er war jedenfalls aus Lindau. Hätte ich ihn rausschmeißen sollen, weil er aus Bayern ist!?«
    …
    »Ja, er hat was mitgenommen, aus Kinkers Büro. Aber da kann nichts dabei sein. Ich habe alle wichtigen Unterlagen herausgenommen. Da sind nur noch die Akten und die Pläne und Kinkers Versicherungspolicen und privater Mist. Aber von dem Bericht ist nach wie vor nichts zu finden. Auch nicht im Computer. Ich verstehe das nicht. Ich konnte ja auch nicht alles rausholen, oder. Das wäre wohl aufgefallen.«
    …
    »Gut. Du kümmerst dich um die Polizei. Ich will nicht, dass die noch einmal hier auftauchen.«
    …
    »Was heißt bitte, ich soll jetzt nicht die Nerven verlieren! Du bist gut. Bei dir tauchen die Bullen ja auch nicht auf, und der Typ, der hier war, machte überhaupt keinen gemütlichen Eindruck. Der will auch nicht seine Ruhe haben. Das ist einer von der Sorte, die man ganz heftig ausbremsen muss. So wie Kinker.«
    …
    »Schön für dich, dass du am Wochenende in die Berge fährst. Ich kann mich hier um den Mist kümmern.«
    *
    Aus welchem Grund auch immer. Schielin fuhr in Lindau die Friedrichshafener Straße entlang und bog am Aeschacher Kreisverkehr Richtung Insel ab, fuhr auf die hintere Insel, stellte das Auto ab und ging die paar Meter bis zum Pulverturm.
    Unschuldig wehte ein laues Lüftchen, plätscherten die Wellen. Die Flatterleinen waren wieder eingerollt worden, und selbst die dunklen Blutflecken auf den Treppenstufen hatte jemand mit Wasser weggespült. Ottmar Kinker war hier schon vergessen. Nur Schielin plagte sich herum. Er durfte diesen eigenartigen Menschen nicht vergessen.
    Er war ganz in Gedanken, als er die Treppenstufen wieder nach oben ging, den Durchlass durchschritt und Richtung Bahnhof ging. Von vorne sah er eine Gestalt auf sich zukommen, die er anhand ihres Gehabes, der ausladenden Schritte und dem weiten Schwingen der Arme sofort identifizierte. Der verrückte Josef. Noch so ein verrückter Kerl, dachte Schielin und wartete auf das Zusammentreffen. Der Pulverturm schien eigenwillige Menschen magisch anzuziehen.
    Josef

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