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Pulverturm

Pulverturm

Titel: Pulverturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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Einwände.«
    »Wie war eigentlich das Verhältnis zwischen Herrn Kinker und den Beschäftigten hier … und wie war es zwischen Ihnen beiden?«
    »Zwischen Ihnen beiden …«, wiederholte sie nachdenklich und lachte kurz und traurig auf. »Es gab kein zwischen Ihnen beiden. Herr Kinker war ein sehr in sich gekehrter Mensch, wie Sie ja schon angedeutet haben. Er hatte keinen näheren Kontakt, zu keinem der Beschäftigten hier. Über die Begrüßungen und ein paar Floskeln ging das nicht hinaus. Was seine Arbeit anging – unheimlich exakt und genau. Das denke ich kann man schon sagen. Er war ein sehr introvertierter Mann.«
    Sie sagte Mann und nicht Mensch. Dadurch erschien ihre Beschreibung in einem völlig neuen Kontext. Zuerst beschrieb sie den Menschen, dann den Mann.
    Schielin überbrückte seine Gedanken mit einem gedehnten »Mhm.« Dann fragte er: »Wissen Sie etwas über sein Privatleben zu berichten, von seiner Familie, eventuell von Freunden? Ich meine, selbst wenn man kaum in Kontakt zueinander kommt … er war hier immerhin über ein Jahr lang beschäftigt. Da könnte man doch etwas mitbekommen. Zum Beispiel die Frau und das Kind da auf dem Foto. Kennen Sie die? Hat er irgendwann einmal etwas von einer Frau oder einem Kind erwähnt?«
    Sie saß zusammengesunken auf dem Stuhl, sah kurz zu dem Foto hinüber und überlegte. »Mitbekommen. Mhm. Ich möchte nicht, dass Sie einen falschen Eindruck erhalten, aber … auch wenn wir ein Jahr lang nebeneinander gearbeitet haben. Ich weiß von ihm nichts. Gar nichts. Und das Bild dort auf dem Schreibtisch sehe ich heute zum ersten Mal. Es tut mir leid.«
    »Sein Tod hat Sie getroffen.«
    »Ja, natürlich.«
    »Sie mochten ihn oder … er war Ihnen sympathisch?«
    »Na ja. Anfangs dachte ich, er wäre ein komischer Heini«, sie lachte kurz und bitter, bevor sie weitererzählte. »Er war schon eine anachronistische Erscheinung, so wie er daherkam, in diesen altmodischen Kleidern. Er war auf eine sehr höfliche Weise distanziert und wich jeder Situation aus, in der so etwas wie ein weiterreichendes Gespräch hätte entstehen können. Er hatte eine sehr freundliche, aber doch bestimmte Art, zu verhindern, ihm näherzukommen. Irgendwann habe ich das dann akzeptiert … ich kann gar nicht verstehen, wer einen solchen Menschen umbringt. Haben Sie denn schon einen Verdacht?«
    Schielin schüttelte den Kopf und formulierte seine Frage bewusst sehr allgemein. »Ist Ihnen etwas aufgefallen an ihm, in letzter Zeit?«
    Sie musste gar nicht lange überlegen. »Ja, schon. Er hat sich in den letzten drei, vier Monaten schon sehr verändert. Nicht, dass Sie meinen, er wäre offener im Umgang geworden, mir oder den anderen gegenüber. Nein, das nicht. Es betraf vielmehr sein Äußeres. Er kleidete sich anders. Ich war richtig konsterniert, als er eines Morgens hier hereinkam in blauen Jeans, Hemd und Jackett. Sah gut aus, echt.«
    »Haben Sie eine Vorstellung was hinter dieser Veränderung stecken könnte? Wir haben Ähnliches schon von anderer Seite gehört.«
    Sie lachte laut und herzlich. »Ja, eine Frau natürlich. Was glauben denn Sie. Nichts anderes. Vielleicht die Braunhaarige dort drüben auf dem Foto, das liegt doch nahe.«
    Schielin stimmte ihr lächelnd zu. »Könnte ich eine Liste aller Beschäftigten haben. Und noch etwas … dieser Dr. Böhle …« Er ließ den Satz ausklingen, ohne dass er zu einer Frage wurde. Sie verstand, was er meinte, grinste und verdrehte die Augen. Das genügte Schielin vorerst.
    Die Fächer des Schreibtisches waren nicht versperrt. Er fand darin nur Bürobedarf. Die Türen eines Schrankes waren jedoch abgeschlossen, ebenso der eine Rollcontainer. Nach einigem Suchen entdeckte Schielin die Schlüssel im Ziehfach des Schreibtisches. Im verschlossenen Schrank fand er eine große Mülltüte, die mit Kleidern gefüllt war. Ein Mantel hing an einem Kleiderhaken, dazu zwei Stoffhosen und ein Hemd.
    Die Fächer des Rollcontainers bargen eine Überraschung. Schon auf den ersten Blick, als er alle vier Fächer herausgezogen und sich einen Überblick verschafft hatte, war er sicher, dass sich hier alle privaten Unterlagen von Ottmar Kinker befanden. Er sah Versicherungspolicen, Amtsschreiben, Gehaltsabrechnungen, Kontoauszüge und einen Karton mit alten Familienbildern und Briefen.
    Im untersten Fach lag ein Foto. In dezenten Farben lächelte verhalten Ottmar Kinker entgegen. An der ausgewogenen Beleuchtung war zu erkennen, dass das Bild in einem

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