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Pulverturm

Pulverturm

Titel: Pulverturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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gar glücklichen Eindruck gemacht, wie seine beiden Quellen übereinstimmend berichteten. Die Frau habe einen osteuropäischen Akzent gesprochen, sei aber sehr sympathisch gewesen. Volltreffer, dachte Schielin. Aber wo war diese glückliche, sympathische Frau mit ihrem Mädchen jetzt?

    Auf der Dienststelle angekommen, begegnete ihm Erich Gommert, der mit einem dicken Packen Prospekte unter dem Arm im Büro von Kimmel verschwand.
    Robert Funk lehnte in seinem Sessel und dachte nach. Schielin störte nicht.
    Lydia saß angesäuert im Büro, empfing Schielin mit einem theatralischen Blick auf die Uhr und einer seine Verspätung deutlich missbilligenden Miene. Sie ätzte. »Interessantes Weg-Zeit-Verhältnis. Kressbronn – Lindau, rein zeitachsenmäßig gefühlte achtzig Kilometer. Hast du vielleicht ein Mäuschen irgendwo auf der Strecke, von dem ich nichts weiß.«
    »Ich habe ermittelt und etwas herausgefunden, und du?«, konterte Schielin, indem er das ich besonders betonte.
    »Gesucht und nichts gefunden. Der Kerl hat die Tatwaffe mitgenommen, jede Wette. War ganz schön kalt da draußen, wenn man die ganze Zeit so im Wind steht. Anfangs denkt man noch, es ist eine von diesen warmen Brisen, aber mit der Zeit … Boh.« Sie schüttelte sich.
    »Und das ist alles? Deswegen habe ich mich derart abgehetzt?«
    »Nicht ganz. Wir haben ja das Auto gefunden. War aber nichts Interessantes dran und drin. Die Spurensicherer nehmen sich die Karre noch mal vor, aber da wird wenig bei rumkommen, wenn mich mein Gefühl nicht trügt. Er hatte übrigens tatsächlich kein Handy, dieser Ottmar Kinker. Völlig unvorstellbar, heutzutage. Und – er hatte hier in Lindau kein Konto.«
    Schielin sah kurz auf. Mehr war nicht nötig, um sie erklären zu lassen. »Na ja. Bankgeheimnis und so. Über Kunden sagen die einem ja manchmal wirklich nichts, aber wenn einer kein Kunde ist, dann dürfen die es einem schon sagen. Mich interessieren die Finanzen jetzt noch viel mehr, denn wenn ein Immobilienbesitzer so heimlich tut und nicht mal seine Konten hier hat, dann steigt mir ein unangenehmes Geschmäckle in die Nase.«
    Schielin nickte stumm, während er die Tüten mit Ottmar Kinkers Unterlagen vorsichtig auf den Schreibtisch kippte. Irgendwo mussten da ja die Kontoauszüge dabei sein. Sie sah interessiert zu und sagte: »Meiner Meinung nach fehlt uns übrigens etwas sehr Wichtiges.«
    »Und was?«, ließ er nebenbei hören, um sie nicht allzu sehr gegen seine Geschäftigkeit aufzubringen, und ihm wurde bewusst, dass ihr Verhalten und ihre Kommunikation fast schon die natürliche Selbstverständlichkeit hatte, wie es vertrauten Ehepaaren eigen war. Schielin war aber zu sehr mit den Unterlagen befasst, um diesem Gedanken weiter zu folgen.
    »Die Kaffeemaschine fehlt, das teure Ding. Sie war nicht im Auto, sie war nicht am See, nicht in der Wohnung, bei Mutti habe ich auch nichts entdecken können, was mich nicht wundert, denn diese Chromdüse würde in diese Gruft auch überhaupt nicht reinpassen. Im Büro war sie wohl auch nicht, oder? Also, wo ist das Ding abgeblieben?«
    Schielin zuckte mit der Schulter und sagte keinen Ton. Ihn interessierte im Moment das, was vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Der Frage der verschwundenen Kaffeemaschine, so spannend sie auch war, würden sie sich später widmen müssen.
    Auch Lydia Naber konnte ihre Neugierde nicht mehr beherrschen. Sie schnappte sich einen großen Stapel Briefe, Papiere und zwei dünnere Aktenordner. Still saß jeder der beiden da und sichtete Ottmar Kinkers Nachlass.
    Schielin fand zwischen Heizabrechnungen, Versicherungsschreiben und Steuerunterlagen drei alte Briefe. Zwei waren aufgefaltet und die beiden aufgerissenen Kuverts lagen zusammen mit einem noch ungeöffneten Brief ein paar Versicherungsscheine weiter hinten im Stapel. So wie sie zwischen den anderen Papieren lagen, konnte fast der Eindruck entstehen, Ottmar Kinker hätte sie dort verstecken wollen.
    Das Briefpapier hatte ein Wasserzeichen und war vom Licht an den Rändern stark eingetrübt, die Schrift selbst war gut zu lesen, was auch an dem flüssigen, wohlproportionierten Schriftschwung lag. Schielin las die beiden Briefe, setzte ab, sah hinüber zu Lydia, die in ihre Akten vertieft war und seinen Zustand zwischen Erstaunen und Erschütterung nicht wahrnahm. Er begann den ersten Brief noch einmal zu lesen, nahm wieder den zweiten zur Hand und las auch den noch einmal. Dann unterbrach er ihr konzentriertes Arbeiten und

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