Pulverturm
gegeben.«
»Aus welchem Grund ist Yulia Kavan denn weggegangen? Gab es Schwierigkeiten mit Pawlicek?«
»Keine Ahnung. Da kann ich Ihnen leider auch nicht weiterhelfen. Wo ist sie denn eigentlich. Geht es ihr gut, und vor allem – wie geht es Nadja?«
Lydia Naber lächelte. Sie spürte, dass die elegante, selbstbewusste Ukrainerin ihr einiges vorenthielt. »Ich denke, es geht beiden gut. Sie sind auf dem Weg hierher.«
»Gut«, sagte Jelena Kurzowa und es klang ehrlich erleichtert. Sie stand auf und beendete damit die Unterhaltung.
*
Im Vernehmungszimmer hatten sich die Anwesenden um den Tisch versammelt. Schielin saß an der Längsseite, Pawlicek und seiner Anwältin gegenüber. Schielin hatte den Eindruck, dass Pawlicek ihr vertraute. Wenzel hatte die Symmetrie aufgelöst, indem er mit seinem Stuhl an die Ecke gerückt war und etwas weiter von der Tischkante entfernt saß.
Er begann, nachdem er die üblichen rechtlichen Floskeln heruntergeleiert hatte. Pawlicek bejahte die Frage, ob er sich zur Sache äußern wolle, nachdem er kurzen Blickkontakt mit seiner Anwältin aufgenommen hatte, die aufmerksam schweigend dabeisaß.
»Was hat Sie hierher nach Lindau geführt, Herr Pawlicek?«
»Es ist so schön hier. Ich mag die Berge und das Wasser. Wo hat man beides schon so vollendet beieinander, wenn man nicht um den halben Erdball fliegen will.«
Wenzel stöhnte und sah ihn grimmig an. »Bitte, Herr Pawlicek. Ersparen wir uns doch, um die Sache herumzureden. Sie wissen schließlich, aus welchem Grund Sie hier sitzen. Wir werfen Ihnen die Tötung von Ottmar Kinker vor. Sie, wie auch ihre Anwältin, kennen die Videoaufzeichnung … dass es am Bodensee schön ist, wissen wir also nun.«
Pawlicek nickte freundlich. »Ich wollte eine Bekannte besuchen, die hier in der Gegend lebt.«
»Wer ist diese Bekannte, und haben Sie sich getroffen?«
»Wir haben uns nicht getroffen. Sie haben mich durch ihre Festnahme daran gehindert«, umging Pawlicek die Zielrichtung der Fragestellung. Schielin musste grinsen. Dieser österreichische Zuhälter war wirklich gelassen. Und das in einer solchen Situation.
Wenzel fuhr fort: »Ottmar Kinker wurde am Montagabend ermordet. Sie haben ihn an diesem Tag nachweislich schon in Ravensburg … beschattet. Sie waren auch auf der Insel, wie wir dem Parkausweis entnehmen konnten, und zwar zum relevanten Zeitraum, in welchem die Tat geschehen ist.«
Die Anwältin kam Pawlicek zuvor. »Soweit ich Ihren Unterlagen entnehmen konnte, gibt es bisher keinen Sachbeweis, der gesichert einen Kontakt meines Mandanten mit dem Mordopfer bestätigen würde. Dass mein Mandant sein Auto auf diesem Parkplatz abgestellt hat, besagt noch nicht, dass er auch an diesem äh … Pulverturm war. Die Tatwaffe wurde bisher nicht aufgefunden, und an der Kleidung von Herrn Pawlicek wurde weder Blut noch sonst etwas festgestellt. Und worin bitte soll denn das Motiv bestanden haben?«
Wenzel schüttelte den Kopf. »Die Untersuchungen der Kleidung Ihres Mandanten laufen noch. Eine kleine Faser genügt uns.«
Schielin sagte ruhig. »Vor Gericht wird man die Videoaufnahmen schon sehr genau würdigen und den Gesamtzusammenhang erkennen. Das ist das eine. Und was das Motiv angeht. Da haben wir kaum ein besseres. Ihr Mandant ist Inhaber eines … Etablissements … oder sagen wir es deutlicher … eines Bordells. Wir wissen, dass Yulia Kavan in diesem Bordell beschäftigt war, oder es noch ist. Sie ist die Komplizin Ihres Mandanten, hat sich an den nicht unvermögenden Ottmar Kinker herangemacht, und kaum waren die beiden – etwas überstürzt und, was das Opfer angeht, auch recht überraschend – verheiratet, da liegt auch schon ein Testament auf dem Tisch. Notariell beglaubigt und wasserfest. Sogar an die Adoption der Tochter wurde gedacht, um alle Eventualitäten des deutschen Erbrechts mit einzubeziehen.
Und dieses Testament – welches die Komplizin Ihres Mandanten zur Haupterbin macht – liegt kaum ein paar Stunden beim Amtsgericht, da wird Ottmar Kinker auch schon erstochen. Und Sie fragen mich nach einem Motiv? Und nicht zu vergessen … Ihr Mandant hat auch noch eine Vergangenheit …«
»… die hier nicht zur Debatte steht!«, warf die Anwältin schnell ein.
»… die aber durchaus von Bedeutung ist, was die Ausführung der Tat angeht. Mit den Geschichten vom schönen Bodensee kommen Sie jedenfalls nicht weiter, und ich würde Ihnen empfehlen, zu überlegen, ob Sie sich zielführend äußern oder
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