Puna - Toedliche Spurensuche
erwies sich als sehr hilfsbereit. Anja fühlte sich sehr nahe am Ziel. Sie hatte zwar in Deutschland herausbekommen, dass die Spur in den Bundesstaat Potosí führen würde. Aber sie hatte nicht ausreichend recherchiert, was das bedeuten würde. Jetzt wusste sie, dass sie bis nach Chuvica vordringen musste, sofern ihre Rechercheergebnisse noch aktuell waren. Daran zweifelte sie nicht. Ein sehr kleiner Ort mit nur noch wenigen Einwohnern. Südlich des Salar de Uyuni.
Anja versuchte, mit der älteren Dame über die Zeit der Militärregierungen zu sprechen. Ohne viel Erfolg. Allerdings erhielt sie die Adresse von Maria Assunta in Potosí. Sie war Journalistin und arbeitete viel zu den Themen Umweltschutz und Menschenrechte. Wenn sie Informationen zur Zeit der Militärdiktatur benötigen würde, wäre Maria die richtige Ansprechpartnerin. Anja bedankte sich für die Hilfe und machte sich auf den Rückweg. Sie steckte Ausdrucke und Notizbuch in ihre Umhängetasche und ging zu Fuß ungefähr die gleiche Strecke zurück - so wie sie sie auf dem Hinweg gefahren ist. Sie wollte zum Busbahnhof, um von dort aus ein Taxi zu ihrem Hotel zu nehmen.
Sie hatte die Avenida Peru erreicht und wandte sich nach Links in Richtung Avenida Armentia, um im Zufahrtsbereich des Busterminals ein Taxi zu ergattern. Sie hatte noch nicht lange die Kreuzung mit der Calle Larecaja hinter sich gelassen, da sah sie Nathan Gailman in Begleitung eines älteren Mannes in dunklem Anzug aus dem Hotel Bolivian Passport herauskommen. Die beiden schienen aufgeregt miteinander zu diskutieren. Noch ehe Anja rufen konnte, stiegen sie hinten in einen schwarzen Toyota RAV4 ein und fuhren davon.
Anja war verwirrt. Nathan wollte heute auf der Plaza San Francisco ausspannen. Und nun tauchte er hier auf? Noch dazu in Begleitung eines Mannes, der bestimmt nie im Bolivian Passport Hotel absteigen würde?! Sollte sie ihn darauf ansprechen. Sie entschied sich dagegen. Schließlich war er ihr gegenüber keine Rechenschaft schuldig.
Anja wartete, bis sich der Geländewagen ausreichend weit entfernt hatte, und nahm sich das erste Taxi, das ihr begegnete. Hinten saß eine Aymara-Frau und unterhielt sich in beängstigendem Tempo mit dem Fahrer. Anja setzte sich auf den Beifahrersitz und dachte noch einmal an die Ereignisse der letzten Tage, während die Fahrt zügig abwärtsging und ohne Unterbrechung vor dem Hotel endete.
Anja holte sich ihr Gepäck aus dem Hotel und schlenderte die Avenida Illampu abwärts. Schließlich lief sie einfach in dieser Richtung weiter. Sie hatte noch ausreichend Zeit bis zum vereinbarten Treffen mit Nathan. Auf der anderen Seite verspürte sie in sich einen Bewegungsdrang. Schließlich stand sie vor einem Fenster eines Restaurants mit dem hier merkwürdig anmutenden Namen ‚Küchenstube‘. Neugierig trat Anja ein. Bis auf einen Tisch waren alle Plätze belegt. Sie setzte sich und bestellte sich einen Cappuccino und ein Stück Kuchen. Während sie drauf wartete, ordnete sie ihre Notizen, die sie im Familienforschungszentrum gemacht hatte, in den Gesamtkontext ein. Nach wie vor blieb für sie nicht nachvollziehbar, weshalb die Tante von Ludwig Staller nicht nach Kriegsende nach Deutschland zurückgekehrt war. Nicht, dass ihr Bolivien nicht gefallen hätte. Aber für das Leben hier im Vergleich zu Deutschland musste man schon Einschränkungen hinnehmen.
Der Cappuccino erwies sich als Milchkaffee mit Sahnehaube, auf die noch Zimt gestreut wurde. Der Kuchen war so trocken, dass man nicht umhin kam, etwas dazu zu trinken. Anja beobachtete am Nachbartisch einen geschäftigen Bolivianer mit pomadierten schwarzen Haaren. Er war die gesamte Zeit am Telefonieren mit seinem Mobiltelefon. Wenn Anja zu ihm rüber schaute, lächelte er ihr zu. Anja spürte Unbehagen in sich aufsteigen. Er machte ihr ein Zeichen, an seinen Tisch rüber zu kommen. Sie hob abwehrend beide Hände und sagte nur »Gracias«. Sie verlangte nach der Rechnung und verließ das Restaurant.
Langsam ging sie wieder zurück zum Hotel. Die längste Zeit war sie nun in La Paz geblieben. Sie war froh darüber, noch heute La Paz zu verlassen, um nach Cochabamba zu kommen. Sie hoffte, dem anonymen Briefeschreiber zu entkommen. Auf jeden Fall würde sie ihrem Ziel einen wichtigen Schritt näher kommen.
Anja saß schon bald, nachdem sie den Busterminal erreicht hatten in einem Bus. Sie hatte mit Nathan die verschiedenen Busunternehmen angeschaut und sich schließlich für dasjenige
Weitere Kostenlose Bücher