Puna - Toedliche Spurensuche
Auf dem Rückweg griff er nach einer Zeitung, die auf einem der übrigen Tische lag. Er belegte sein Brötchen, biss hinein und schlug die Zeitung so auf, dass er Anja nicht mehr sehen musste. Unterdessen schob Anja den letzten Brötchenkrümel in seine Endposition, tippte geräuschvoll mit dem Zeigefinger darauf. Ihren restlichen Kaffee stürzte sie herunter. Dann stand sie geräuschvoll auf. »Na, dann nicht«, murmelte sie und verließ den Frühstücksraum.
Ein freundlicher, älterer Taxifahrer fuhr Anja zum Busbahnhof. Sie brauchte sich, um ihr Gepäck nicht zu kümmern. Er trug es durch den Regen und beförderte es gleich in den Kofferraum. Dann hielt er die Beifahrertür auf und gab ihr durch ein Zeichen zu verstehen, dass sie kommen möge. Die Scheibenwischer liefen hochtourig. Trotzdem war nicht viel durch die Windschutzscheibe zu sehen. Der Taxifahrer fluchte. Ob sie bequem sitzen würde, wollte er wissen. Woher sie käme? Ihr nächstes Reiseziel? Sie unterhielten sich über das Wetter und die schlechte Lage der Taxifahrer, die bei dem Wetter keine Fahrgäste bekämen. Am Busbahnhof angekommen, schnappte er sich wieder das Gepäck und ging zielstrebig zu einem Busunternehmen und handelte den Preis runter. Sie müsste warten bis 18 Uhr. Aber dafür sei das Unternehmen sehr gut und sicher. Sie bedankte sich bei ihm und verabschiedete sich.
Die Wolkengrenze sank weiter ab. Die oberen Teile der Berge um Cochabamba waren nicht mehr zu sehen. Der Dauerregen ging teilweise in Hagel über. Die Beleuchtung im Busbahnhof begann zu flackern. Unterdessen sammelten sich immer mehr Fahrgäste. Kinder spielten Fangen und liefen juchzend durch die Halle. Anja blätterte in ihren Notizen im Reisegepäck. Nach einer Weile stand sie auf und wanderte umher. Die Kälte kroch langsam bis in ihre Füße. Die Frauen zogen ihre Wolldecken hervor und versuchten damit sich und ihre Familien zu schützen. Noch 7 Stunden, bevor der Bus abfuhr. Anja überlegte, ob sie sich mit einem Taxi noch einmal in die Innenstadt fahren lassen sollte. Aber was sollte sie dort machen? Der Regen lähmte sie.
Gegen Mittag zogen einige Frauen mit ihren metallenen Handwagen mehrere Runden durch die Halle, um Empanadas zu verkaufen. Danach kehrte wieder Ruhe ein. Einige Busse fuhren ab. Die Reihen der Wartenden lichteten sich. Aber schon bald kamen neue hinzu. Immer wieder sah sie, dass Reisende kleine Fernsehapparate bei sich hatten, und wunderte sich, weil doch in den Bussen unablässig Videos gezeigt würden. Schließlich wurden Fernseher zu den Terminals der Busunternehmen geschafft. Die Wartenden gruppierten sich nach und nach um die wenigen Apparate. Neugierig machte Anja eine Runde, um zu sehen, was die Menschen so fesselte. Ein Fußballspiel. Bolivien gegen Uruguay. Der Geräuschpegel in der Halle stieg allmählich an. Sie ging wieder zurück zu ihrem Platz und schaute nach draußen. Aber die Landschaft wirkte bei dem Wetter nur trostlos. Sie musste an den Wasserkrieg denken, von dem sie am Vortag gehört hatte. Angesichts dieser Regenmengen konnte sie sich nicht vorstellen, dass Wasser hier knapp sein könnte. Sie zog den Reißverschluss ihres Anoraks bis zum Anschlag hinauf.
Erneut begann das Licht, zu flackern. Einzelne Flüche im allgemeinen Gemurmel. Dann ging das Licht ganz aus. Kein Strom. Relative Stille zog ein. Auch außerhalb des Gebäudes schien es keinen Strom mehr zu geben. Mehrere Männer verschwanden aus der Halle, um einige Zeit später mit einem kleinen Generator zurückzukommen. Der wurde zu einem der Busterminals getragen. Bald lief dort wieder der Fernseher und die Menschentrauben begannen, sich neu zu formieren. Für Anja verging die Zeit quälend langsam. Mehrere Spaziergänge unternahm sie in der Halle. Draußen setzte allmählich die Dämmerung ein. Irgendwann flackerte das Licht unter der Decke und die mittlerweile vereinsamten TV-Geräte übertrugen erneut das Fußballspiel. Die restliche Viertelstunde der Übertragung. Danach trat wieder Ruhe ein. Die Apparate wurden wieder verstaut.
Anja hatte auf einer Bank in der Nähe ihres Schalters Platz genommen. Sie wartete darauf, dass es nun losgehen würde. Laut Fahrplan stand die Abfahrt unmittelbar bevor. Aber alles blieb ruhig. Die Halle füllte sich immer weiter. Aber an eine Abfahrt war weiterhin nicht zu denken. Eine halbe Stunde nach dem vorgesehenen Abfahrttermin ging sie zum Schalter. Aber sie bekam nur gesagt, dass alles in Ordnung sei. Wieder warten. Seit wie
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