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Puna - Toedliche Spurensuche

Puna - Toedliche Spurensuche

Titel: Puna - Toedliche Spurensuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Scholze
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sich eine Menschengruppe dem Bus. Darunter auch Nathan Gailman. Sie stiegen wieder ein. Der Motor wurde gestartet, die Lampen gelöscht und wenig später ging die Fahrt weiter. Wieder fiel Anja in einen unruhigen Schlaf und wieder wurde sie verfolgt. Aber dieses Mal konnte sie, wenn auch im letzten Moment, immer wieder ihren Verfolgern entkommen. Ihr Kopf schlug gegen die Fensterscheibe. Sie war hellwach. Ihre Finger tasteten an die Stelle. Alles schien in Ordnung zu sein.
    Draußen begann es, langsam zu dämmern. Anja sah auf die Uhr. Sie musste drei Stunden geschlafen haben. Wieder nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Durch das unsanfte Wecken hatte sie jedenfalls das Gefühl hellwach zu sein. Sie schob den Vorhang ein wenig zur Seite und sah, dass es unterhalb der Straße immer wieder zu Erdrutschen gekommen war. Frische, tiefe Runsen hatten sich an anderer Stelle in die Hänge gefressen. Am Hangfuß erkannte sie einen reißenden, braunen Fluss, der das gesamte Flussbett ausfüllt. Die Straße führte stetig aufwärts.
    Eine habe Stunde später waren die Wassermassen schon deutlich weniger. Der ehemals breite Fluss war in verschiedene Flussarme zerteilt, die sich über den Talboden schlängelten. Jeder einzelne Flussarm für sich entsprach einem Wildwasserfluss. Verschiedene Bauwerke, die die Ufer und die Hangböschungen sichern sollten, waren erkennbar.
    Die Landschaft erschien öde. Vereinzelt fensterlose Häuser aus Adobe. Umfriedet von Mauern aus Lehmziegeln. Vor den Häusern saß die Familie an einer Feuerstelle und aß. Auf den nahegelegenen Feldern wurden Mais, Zuckerrohr und Bananen angebaut. Die Felder waren durch dornige Zäune abgegrenzt, die den freilaufenden Ziegen, kleinen braun-schwarzen Schweinen und Eseln den Zugang versperren sollten. Anja erinnerte sich, einmal gelernt zu haben, dass Ziegen einen Indikator für Armut darstellen. Geht es den Menschen besser, halten sie Schafen, geht es ihnen schlechter, halten sie Ziegen. Da die Ziege aber das wenige existierende Grün noch herauszupft, entreißt sie dem Boden damit die zukünftige Nahrung.
    Je länger die Fahrt dauerte, desto mehr Murenabgänge hatten sich in die Hänge gefressen. Ihr geowissenschaftlich geschultes Auge erkannte auch historische Murabgänge. Die wenigen kleinen Siedlungen, die sie passieren, waren jenseits der Murenzonen und Murenfächer angeordnet.
    Allmählich waren die Flussarme tief unter ihnen. Wenn Anja aus dem Fenster abwärts sah, sah sie tief unter sich den Hang. Die Straße war schmal. Konnte sie hin und wieder vorne die Straße sehen, dann sah sie, dass diese teilweise unterspült war. Der Bus fuhr nur noch langsam, fast Schrittgeschwindigkeit. Schließlich hielt er ganz. »Aussteigen«, tönte es vom Beifahrer. »Zu fuß weitergehen«. Langsam quälten sich die Passagiere über die dicken Gepäckknäuel im Gang nach draußen. Kein Murren. Kein Zaudern. Es war kühl. Anja hielt sich an ihren Nachbarn und folgte ihm. Vereinzelt lagen große Felsbrocken auf der Schotterstraße. Teilweise fehlten ganze Teile der Straße. Ihr Nachbar erklärte ihr, dass es gefährlich sei, wenn alle Passagiere im Bus blieben. Sie müssten wahrscheinlich bis zu der Brücke in einiger Entfernung gehen.
    Dort angekommen drehte sich Anja um und sah, wie der Bus quälend langsam hinter ihnen herfuhr. Der Beifahrer ging voraus und dirigierte den Fahrer an besonders engen Stellen mit Handzeichen. Immer wieder ging es neben den äußeren Rädern fast senkrecht abwärts. Die Regenfälle des vergangenen Tages hatten ihre Spuren hinterlassen. Anja musste an La Paz, an das Valle de la Luna denken. Dort hatte sie schon festgestellt, wie wenig Widerstand der Boden gegenüber Wasser zeigt. Um wie viel stärker musste es also hier an den Steilhängen gewirkt haben, als es gestern schüttete? Sie suchte Nathan mit den Augen ausfindig zu machen. Sie fand ihn nicht.
    Allmählich hatte der Bus die Menschengruppe erreicht. Einsteigen. Mehr als einmal klopften die Menschen dem Beifahrer anerkennend auf die Schulter. Die Fahrt ging im Schritttempo weiter. Mehr als einmal sah Anja den Abgrund neben sich. Schließlich kam der Bus erneut zum Stillstand. Die Türen wurden geöffnet. Jedem wurde die Möglichkeit gegeben, auszusteigen. Anja nutzte die Gelegenheit, sich die Beine zu vertreten. Die Straße war blockiert. Große, kantige Felsbrocken lagen verstreut im Weg. Hangaufwärts erkannte sie die Abrisskante des Felssturzes. Anja ging zum Fahrbahnrand und

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