Puna - Toedliche Spurensuche
Wasserflasche nach vorne. Er drehte den Verschluss, ohne die Straße vor ihm aus den Augen zu verlieren. Im nächsten Moment quoll das Wasser empor und schoss zwischen Deckel und Flasche heraus. Schneller, als Nathan reagieren konnte, kam das Wasser. »Scheiße«, brummelte er, während er sich mit der Hand das Wasser von seinem Hemd und der Hose wischte.
Kurz darauf sah er einen ehemals blauen Nissan vorbei rasen. Das Auto kannte er von gestern Mittag. Schnell warf er die Flasche aus dem Fenster, startete sein Auto und heftete sich an das andere Auto. Von hinten konnte er erkennen, dass zwei Frauen vorne im Auto saßen. In deren Rückspiegel konnte er nicht mehr erkennen. Die Silhouetten waren nicht zweifelsfrei zu identifizieren. Vielleicht mit Ausnahme der Fahrerin.
Nathan achtete darauf, ausreichend Abstand einzuhalten. Wohin fahren sie? Die Fahrt ging die Avenida Potosí südwestwärts. Damit wollten sie offensichtlich nicht Uyuni auf einer der Ausfallstraßen verlassen. Es machte keinen Sinn. Wo wollen die bloß hinfahren. Schließlich bogen sie zügig nach rechts ein.
»He, da geht es zum Flugplatz«, rief Nathan vor sich hin. »Kneift die Kleine jetzt den Schwanz ein ?«
Nathan ließ sich zurückfallen. Damit hatte er nicht gerechnet. Er musste sich etwas einfallen lassen. Wenn sie jetzt zurückfliegen würde, würde sein Versagen offensichtlich werden.
Das Auto vor ihm fuhr vor das Flughafengebäude.
Anja stieg aus und verschwand im Gebäude. Das Auto blieb stehen, fuhr nicht zurück. Nathan beschloss, zu warten. Er löste die Verschlüsse an dem Koffer.
Ferdinand Lochner hasste die kleinen Flugzeuge. Zwar wusste er um die Physik des Auftriebes und wusste, solange sie nur schnell genug fliegen würden, konnten sie nicht abstürzen. Aber bei den kleinen Flugzeugen war er sich nie so richtig sicher, ob da die Physik auch uneingeschränkt galt oder ob erst Randgrößen überschritten werden mussten ...
Nein, die großen Flugzeuge waren Okay. Bei ihnen konnte er sich entspannt in den Sitz fallen lassen und Starts und Landungen genießen. Das war etwas vollkommen anderes. Er liebte es, die Kraft der Technik zu spüren. Sei es, wenn die Motoren beim Start aufheulten und das Flugzeug immer mehr beschleunigte. Wenn das Flugzeug auf die Startbahn rollte, und dann auf die Startfreigabe wartete, schloss er in Vorfreude immer die Augen. In dem Moment, in dem der letzte physische Kontakt zwischen Startbahn und Fahrwerk verlorengegangen war, ging dieses wunderbare Gefühl dann in Normalität über. Ein relativ kurzer Moment. Den versuchte er aber mit jeder Faser, intensiv zu genießen.
Bei den Landungen hatte er dagegen deutlich mehr davon. Es fing dann an, wenn das Flugzeug so getrimmt wurde, dass die Nase leicht nach oben zeigte. Die vergrößerte Widerstandsfläche musste durch einen stärkeren Schub ausgeglichen werden. Von diesem Moment an versuchte er sein Umfeld auszublenden. Er genoss die Augenblicke mit geschlossenen Augen. Das Rumpeln des ausfahrenden Fahrwerks, die Klappen am Tragwerk. Jede Einzelheit, die mit dem Fliegen zu tun hatte, nahm er wahr und baute sich damit vor seinem inneren Augen ein schlüssiges Bild zusammen. Schließlich der erste Bodenkontakt des Fahrwerks, das langsame Senken der Nase und der zweite Kontakt. Der sich anschließende Bremsvorgang löste immer wieder aufs Neue herrliche Gefühle aus. Die Bändigung der Kräfte. Manchmal ging es so weit, dass er sogar Musik dabei hörte, obwohl sie real nicht existent war.
Die Landung in La Paz hatte dieses maximale der Gefühle mal wieder ausgelöst. Lange hatte er es nicht mehr verspürt. Aber dort kam es wieder. In dem Moment, als die Räder den Beton erstmals berührten, erklang in ihm Arthur Honeggers Pacific 231 . Der Augenblick, wenn die große, schwarze Dampflock aus voller Fahrt abbremst, vertont in Musik. Unterstützt von den großen Kräften, die notwendig waren, das Flugzeug abzubremsen. Dem Rütteln, verursacht von den Stößen der Betonplatten, über die die Reifen rollten. Zeiträume, in denen er gedanklich alleine war mit den Piloten, die vorne ihre Arbeit machten.
Aber hier, in den kleineren Maschinen, war es anders. Ein Start löste nicht annähernd solche Gefühle aus. Im Gegenteil. Wenn das Flugzeug denn endlich abhob, wartete er immer darauf, ob es noch einmal den Boden berühren würde, bevor es endgültig abflog. Turbulenzen während des Fluges machten ihm jedes Mal wieder klar, wie klein derartige Flugzeuge
Weitere Kostenlose Bücher