Punktlandung in Sachen Liebe (German Edition)
stolpert einen Schritt zurück, während der Zollbeamte Oliver in die andere Richtung drängt.
»Ist ja nicht so, dass die Schlangen in verschiedene Länder führen«, grummelt er.
Die Betonmauer zwischen den beiden Bereichen kommt rasch näher, und Oliver hebt winkend die Hand, strahlt sie immer noch an. Nur noch wenige Sekunden, begreift Hadley, dann wird sie ihn nicht mehr sehen können, doch ihre Blicke treffen sich noch einmal, und sie winkt zurück. Er deutet mit dem Finger zum vorderen Ende seiner Schlange, sie nickt und hofft, das bedeutet, dass sie sich dort wiedersehen werden, und dann ist er weg, und sie kann nur weitergehen, den Pass in der Hand, das Gefühl seines Kusses noch auf den Lippen wie einen Stempelabdruck. Sie hält sich die Hand ans Herz, um das Pochen zu beruhigen.
Doch schon bald erkennt sie, dass Olivers Wunsch nicht in Erfüllung gegangen ist: Ihre Schlange steht praktisch still, und Hadley, eingezwängt zwischen einem schreienden Baby und einem riesigen Kerl im Texas-T-Shirt, war noch nie im Leben so ungeduldig. Ihre Augen zucken von ihrer Uhr zu der Mauer, hinter der Oliver verschwunden ist, und sie zählt in fiebernder Spannung die Minuten, dreht und windet sich, trippelt wartend und seufzend hin und her.
Als sie endlich dran ist, rennt sie beinahe zum Glasfenster und schiebt ihren Pass durch den Schlitz.
»Beruflich oder zum Vergnügen?«, fragt die Frau, während sie das kleine Heft betrachtet, und Hadley zögert mit der Antwort, denn keine der Alternativen scheint ganz zutreffend. Sie entscheidet sich für Vergnügen – auch wenn es kaum darunter fällt, ihren Vater wieder heiraten zu sehen – und rattert dann die Antworten auf die übrigen Fragen so zügig herunter, dass die Frau ihr einen misstrauischen Blick zuwirft, ehe sie eine der vielen leeren Seiten in ihrem Pass stempelt.
Ihr Koffer schwankt unsicher hin und her, als sie am Checkpoint vorbei und zur Gepäckausgabe hastet, denn sie hat beschlossen, dass der Apfel, den sie zu Hause aus dem Kühlschrank genommen hat, eigentlich nicht als landwirtschaftliches Produkt zu rechnen ist. Es ist jetzt 10:42 Uhr, und wenn sie nicht in den nächsten paar Minuten ein Taxi bekommt, hat sie praktisch keine Chance mehr, es zur Trauung zu schaffen. Aber daran denkt sie noch gar nicht. Sie denkt nur an Oliver, doch als sie in die Gepäckausgabehalle tritt – ein Meer von Menschen, alle hinter einem schwarzen Seil gedrängt, mit Schildern in der Hand, auf Freunde und Verwandte wartend –, sinkt ihr Mut.
Die Halle ist riesig, Dutzende Fließbänder tragen farbenfrohe Koffer im Kreis, und um sie herum Hunderte und Aberhunderte Menschen, die alle irgendwas suchen: andere Menschen, Fahrgelegenheiten, die richtige Richtung zum Ausgang, verlorene Dinge, Gepäckstücke. Hadley dreht sich einmal im Kreis, ihr Gepäck fühlt sich tonnenschwer an, ihre Bluse klebt ihr am Rücken, die Haare fallen ihr in die Augen. Sie sieht Kinder und Großeltern, Chauffeure und Flughafenbedienstete, einen Typen mit Starbucks-Schürze und drei Mönche in roten Kutten. Eine Million Menschen, so scheint es, und keiner von ihnen ist Oliver.
Sie geht rückwärts bis zur Wand und stellt ihre Sachen ab, vergisst völlig das Menschengedränge. Ihre Gedanken kreisen um die Möglichkeiten. Seine Schlange könnte länger gebraucht haben. Er könnte am Zoll aufgehalten worden sein. Er könnte auch früher herausgekommen sein und geglaubt haben, sie sei schon weg. Sie könnten sich auch verpasst haben.
Vielleicht ist er auch einfach weggegangen.
Dennoch wartet sie.
Die Riesenuhr über der Fluganzeigetafel starrt anklagend auf sie herab, und Hadley versucht die aufsteigende Panik zu ignorieren. Wie kann er gehen, ohne sich zu verabschieden? Oder war der Kuss als Abschied gemeint? Aber nach so vielen Stunden, nach all diesen gemeinsamen Momenten, wie kann das alles gewesen sein?
Ihr wird klar, dass sie nicht mal seinen Nachnamen weiß.
Eine Hochzeit ist das Letzte, wo sie jetzt hinmöchte. Sie spürt geradezu den letzten Rest ihrer Energie versickern wie Wasser im Abfluss. Doch während die Minuten verstreichen, wird ihr immer deutlicher, dass sie die Trauung verpassen wird. Mit einiger Anstrengung löst sie sich von der Wand, streift noch ein letztes Mal mit schweren Schritten durch das riesige Terminal – doch Oliver mit seinem verwuschelten Haar und dem blauen Hemd ist nirgends zu finden.
Und da ihr nichts anderes übrig bleibt, macht sich Hadley
Weitere Kostenlose Bücher