Punktlandung in Sachen Liebe (German Edition)
aufstehen und ihr Gepäck zusammensuchen, und Oliver wartet noch einen Moment, ehe er sie leicht am Arm berührt. Sie fährt herum.
»Bist du so weit?«, fragt er, und sie schüttelt den Kopf, nur ganz leicht, aber es reicht, ihm ein Lächeln zu entlocken. »Ich auch nicht«, gibt er zu, steht aber trotzdem auf.
Kurz bevor sie dran sind, sich aus ihrer Sitzreihe einzufädeln, zieht Oliver einen violetten Geldschein aus der Hosentasche. Er legt ihn auf den Sitz, den er die letzten sieben Stunden besetzt hat, wo er schlaff liegen bleibt und vor dem unruhigen Muster des Bezugs etwas verloren aussieht.
»Wofür ist das denn?«, fragt Hadley.
»Den Whiskey, schon vergessen?«
»Ach ja«, sagt sie und schaut genauer hin. »Aber der war doch niemals zwanzig Pfund wert.«
Er zuckt die Achseln. »Diebstahlzulage.«
»Und wenn ihn jemand wegnimmt?«
Oliver beugt sich herunter, nimmt die Enden des Gurts und schließt ihn über der Banknote, so dass sie wie angeschnallt aussieht. »Sicherheit geht vor.«
Vor ihnen macht die alte Dame ein paar kleine Vogelschritte in den Gang und schaut dann hoch zur Gepäckablage. Oliver eilt ihr rasch zu Hilfe, ignoriert den Stau hinter ihnen, als er ihren abgestoßenen Koffer herunterhebt, und wartet dann geduldig, bis sie sich zurechtfindet.
»Vielen Dank«, sagt sie und strahlt ihn an. »Sie sind so ein netter Junge.« Sie wendet sich zum Gehen, zögert, als hätte sie etwas vergessen, und dreht sich noch einmal um. »Sie erinnern mich an meinen Mann«, sagt sie zu Oliver, der abwehrend den Kopf schüttelt. Aber die Dame dreht sich schon wieder in die andere Richtung – mit winzigen, stockenden Bewegungen, wie ein Sekundenzeiger – und als sie endlich in die richtige Richtung schaut, schlurft sie langsam den Gang entlang, und die beiden können ihr nur nachblicken.
»Ich hoffe, das war als Kompliment gemeint«, sagt Oliver ein wenig verschämt.
»Sie sind seit zweiundfünfzig Jahren verheiratet«, erinnert Hadley ihn.
Er schaut sie von der Seite an, als sie nach ihrem Koffer greift. »Ich dachte, du hältst nicht viel von der Ehe.«
»Tu ich auch nicht«, sagt sie und geht in Richtung Ausgang.
Als er sie auf der Gangway einholt, sprechen sie beide kein Wort, aber Hadley spürt dennoch, was wie ein Güterzug auf sie zu rauscht: der Augenblick des Abschieds. Und zum ersten Mal seit Stunden wird sie auf einmal schüchtern. Neben ihr reckt Oliver den Hals, um die Schilder der Zollkontrolle zu lesen, denkt anscheinend schon an den nächsten Schritt, ist schon weiter. Denn so ist das beim Fliegen. Man teilt ein paar Stunden mit jemandem die Armlehne. Man tauscht Lebensgeschichten aus, ein oder zwei amüsante Anekdoten, vielleicht sogar Scherze. Man kommentiert das Wetter und das schreckliche Essen. Man hört dem anderen beim Schnarchen zu. Und dann verabschiedet man sich.
Warum also fühlt sie sich auf diesen nächsten Teil so gänzlich unvorbereitet?
Sie sollte sich Gedanken darüber machen, wo sie ein Taxi herbekommt und wie sie es rechtzeitig zur Kirche schafft, über das Wiedersehen mit ihrem Vater und das Kennenlernen von Charlotte. Doch stattdessen denkt sie über Oliver nach, und dieses Widerstreben, ihn gehen zu lassen, zieht plötzlich alles in Zweifel. Und wenn sie nun alles falsch verstanden hat in den letzten Stunden? Wenn alles gar nicht so ist, wie sie gedacht hat?
Schon jetzt ist alles anders. Es fühlt sich so an, als sei Oliver Millionen Kilometer weit weg.
Am Ende des Ganges hat sich eine lange Schlange aus Passagieren gebildet, das Handgepäck um sich verstreut; alle warten unruhig und grummeln vor sich hin. Als Hadley ihren Rucksack absetzt, geht sie im Geist den Inhalt durch und versucht sich zu erinnern, ob sie einen Stift eingepackt hat, mit dem sie jetzt eine Telefonnummer oder Mailadresse notieren könnte, irgendeinen Datenschnipsel von ihm, eine Versicherung gegen das Vergessen. Aber sie fühlt sich erstarrt, in sich selbst gefangen, denn sie glaubt nichts sagen zu können, was nicht irgendwie verzweifelt klingen würde.
Oliver gähnt und streckt sich, die Hände in die Höhe, den Rücken durchgebogen, und lässt dann den Ellbogen locker auf ihre Schulter fallen, als wollte er sich auf sie stützen. Die Last seines Arms könnte gerade ausreichen, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen, und sie muss schlucken, ehe sie den Blick zu ihm hebt, ganz ungewohnt nervös.
»Nimmst du ein Taxi?«, fragt sie, und er schüttelt den Kopf und nimmt den Arm
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