Puppenbraut
meine Tochter wissen?“, flüsterte Larry.
„Einfach wie sie ist. Aus Ihrer Sicht! Was sie mag. Was sie hasst. Kurzum, ob Ihnen aufgefallen ist, dass sich etwas in letzter Zeit geändert hat?“, schoss sie ihre Fragen etwas unsensibel heraus. Alle Worte, die sie jetzt hätte sagen können, waren in dieser Situation und bei diesem Mann falsch, der gerade um die zwei wichtigen Personen in seinem Leben trauerte. Daher konnte sie auch diesen schmerzhaft direkten Weg nehmen.
„Zoey…“ Seine Stimme brach zusammen. Er versuchte, die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Doreen war ergriffen von diesem doch so persönlichen Moment zwischen ihr und dem ihr fremden Mann. Plötzlich kämpfte sie mit ihrer eigenen Verfassung. Kindheitserinnerungen kamen in ihr hoch, auch wenn sie sie nicht genauer benennen konnte. Die Nerven gingen wohl mit ihnen allen durch.
Larry Andrews räusperte sich. „Zoey“, er war ernsthaft daran bemüht, seine Selbstbeherrschung wiederzuerlangen, „sie ist tapfer. Das ist die tapferste Prinzessin, die ich kenne. Sie ist so vernünftig. Viel vernünftiger als ihre Eltern! Was tut sie gern?“ Er überlegte ganz kurz. „Nun, sie liest sehr gern. Sie verschlingt Bücher, obwohl sie so klein ist. Schon bevor sie zur Schule gehen sollte, konnte sie bereits lesen. Mein kluges Mädchen!“ Er wischte seine Tränen mit dem Ärmel seines Pullovers ab. Ähnlich wie seine Ex-Frau schien er auf sein Äußeres bedacht gewesen zu sein. Früher zumindest, als sein Leben noch einen Sinn zu haben schien. Doreen schwieg.
„Amy wollte ihr zu Weihnachten einen kleinen Hund schenken. Sie hat mich schon gefragt, ob ich das Tier an unseren gemeinsamen Vater-Tochter-Wochenenden übernehmen würde. Ich habe es ihr versprochen! Warum auch nicht? Zoey war vernarrt in Hunde! Wenn mein kleines Mädchen nach Hause kommt, kriegt sie einen Hund, sofort! Ich werde ihr einen noch am selben Tag kaufen! Wenn sie nur wieder da ist!“ Diesmal ging der trauender Vater ans Fenster, um einem aufsteigenden Tränenfluss freien Lauf zu gewähren. Keiner sollte ihn weinen sehen. Doreen wollte ihm den Wunsch erfüllen, doch sie musste noch paar wichtige Fragen stellen. Egal, wie schmerzhaft es für sie beide war.
„Herr Andrews, hat Zoey etwas von einem Hund erzählt? Kennt sie einen?“
„Zoey kennt alle Hunde in der Umgebung. Die kleinen sind ihr aber am liebsten. Mit ihnen kann man kuscheln, sagte sie immer. Da, wo Zoey ist, sind alle Tiere der Umgebung. Fragen Sie mich nicht, warum sie diese Wesen so magisch anzieht? Ich weiß es nicht.“
„Darf ich noch etwas erfahren?“ Doreen wartete nicht, sondern fuhr fort, da Larry langsam an die Grenzen seiner Aufnahmefähigkeit angekommen zu sein schien. „Darf Zoey sich Sachen selbst kaufen? Ich meine, bekommt sie ausreichend Geld dazu?“
„Meine Tochter bekommt natürlich Taschengeld. Sie geht auch selbstständig zum Bäcker, zum Spielplatz oder zur Schule. Ich nehme an, dass sie dann auch Bücher kauft, wenn sie es will, ohne dass es ihre Mutter weiß. Aber genau weiß ich nicht, wie Amy das jetzt handhabt.“ Larry Andrews´ Stimme wirkte resigniert.
Doreen beschloss, das Patientenzimmer zu verlassen. Sie wollte keine weiteren Wunden bei diesem mit der derzeitigen Situation hoffnungslos überforderten Mann aufreißen. Egal wie professionell sie sich gab, in der Angst um ihr eigenes Kind fühlte sie sich ihm zutiefst verbunden.
„Ich werde mich jetzt auf den Weg machen, Raffaella zu suchen. Nochmals mein tiefstes Mitgefühl für diesen grauenhaften Weg, den Sie beide im Moment gehen müssen!“
Larry Andrews winkte ab, ohne den Blick vom Fenster zu nehmen. Sie wusste nun, dass er seine Selbstkontrolle über geballte Emotionen hinaus endgültig verloren hatte und schloss leise die Tür hinter sich. Aus ihrer Tasche zog Doreen den Inhalator heraus und verschaffte sich damit etwas Luft zum Atmen.
*****
„Da bist du ja!“ Raffaellas Stimme klang so vertraut in diesen kahlen Gängen des Metropolitan Hospital Central. Nur eine kleine Umarmung war das Einzige, was sie sich während der Arbeit an Annäherungen erlaubten. Beide versuchten sie, ihr Privatleben soweit fernzuhalten, wie es nur ging. In den meisten Fällen gelang es auch.
„Gerade komme ich aus dem Behandlungszimmer“, entgegnete Doreen betroffen. „Sie haben beide Unmenschliches erlebt. Und noch kein Ende in Sicht! Oh, Gott, Ell! Wie kann man helfen?“
„Ich gehe gleich rein. Mach dir
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