Puppenbraut
einzutreten. Noch ein Kind, das warmen Kakao mochte, vielleicht im Zimmer mit Puppen spielte, oder heimlich mit ihrer Taschenlampe Bücher unter ihrer Bettdecke las, bis es zu spät wurde. ‘Zoey...Cassy...Cassy...Zoey...’, ging es ihr durch den Kopf, und sie konnte diese Assoziation nicht abschütteln.
„Mittlerweile ist es mir gleichgültig, ob es rauskommt, von wem der Tipp kam!“ So kannte Doreen ihre Lebensgefährtin nicht. Im gemeinsamen Leben der beiden kam schon mal ihr italienisches Temperament durch, doch niemals bei ihrer Arbeit! Entglitt ihnen der Fall langsam? Raffaella ließ keinen Zweifel aufkommen. „Hier geht es womöglich um einen Täter, der die Öffentlichkeit scheut. Die anderen Mädchen waren damals wie vom Erdboden verschluckt. Mal wieder mein Bauchgefühl. Wir können Cassy nicht rund um die Uhr beschützen! Vielleicht können wir aber den weiteren Tod eines Kindes verhindern? Besser als abzuwarten, oder? Und es klingt nach einer karrierefördernden Geschichte!“ Der verzweifelte Nachsatz klang selbst für Ell wenig überzeugend.
Statt sofort zu antworten, band Doreen ihre langen, blonden Haare zu einem Dutt zusammen, als wollte sie damit etwas Zeit gewinnen. Das Geheimnis ihres bisherigen Erfolges war, dass sie sich oft in Kreisen bewegte, wo ihr noch jugendliches Aussehen über ihre Professionalität hinwegtäuschte. Doch in diesem Fall ging es womöglich um einen Menschen, der einer 42jährigen Journalistin nichts abgewinnen konnte. Diesmal lag der Kern ihrer Arbeit im professionellen Vorgehen! Mit einem Mal bekam sie das Gefühl, dass sie genau über diese Tatsache nachdenken sollte.
„Was weißt du noch mehr über Zoey, Ell?“
„Einige Details zu den Morden. Mir wurde erzählt, dass der Täter bei den beiden vergangenen Taten die Mädchen sehr sorgfältig behandelt hat. Die Opfer wurden nicht vergewaltigt, doch sie trugen, als sie gefunden wurden, aufreizende Kleidung. Allerdings alles ‘von der Stange’, daher brachte die Suche nach dem Einkaufsladen nicht viel. Die Eltern der getöteten Mädchen waren vorher kurzfristig geschieden oder lebten getrennt. Der Täter legte die Leiche mit sehr viel Liebe hin und deckte sie mit dem Kopf nach unten zu – als ob er die Mädchen vor der Welt beschützen wollte. Eher wie ein Vater oder vielmehr ein Liebhaber. Er hat eine Fähigkeit zur Beziehung, aber unterentwickelt wie ein Kind, vermute ich. Ihm müssen schlimme Dinge in der Vergangenheit angetan worden sein, was seine Sexualität betrifft, weshalb er die Kinder so zur Schau stellt. Dennoch ist er sehr aufmerksam, was ihn zu dieser Sorgfalt bei der Tat bewegt. Die Cops haben wenig Verwertbares gefunden. Er fühlt sich in seiner eigenen Logik verantwortlich für die Opfer. Was interessant ist, da er Mädchen bevorzugt, was ich mit einer starken Fixierung auf eine weibliche Person verbinden würde. Es ist nicht selbstverständlich. Es gibt auch Pädophile, die das gleiche Geschlecht bevorzugen. Da gibt es aber noch etwas, was nicht an die Öffentlichkeit drang!“
„Was?“ Doreen hörte ihr Journalistenherz pochen. Trotz des fortgeschrittenen Abends brauchte sie alle Fakten, die es ihr erlauben würden, sich an die Arbeit zu machen. Reflexartig hob sie in angespannter Erwartung das Glas Rotwein und trank ihn mit einem Schluck aus, ohne dessen so edlen Charakter zu bemerken.
„In der Akte der toten Mädchen wird ein wichtiges Detail vorenthalten, worauf mein Informant noch keinen Einblick hatte. Es wird mit dem Fall zu tun haben, doch scheinbar soll es nicht einmal intern bekannt werden. Dieses Detail soll wohl eine Distanz zu einem Nachahmungstäter schaffen. Die ultimative Tatunterschrift. Aber ich arbeite daran, es herauszufinden!“
Raffaella setzte sich plötzlich näher. Als ob sie die zermürbenden Gedanken wegwischen wollte, küsste sie Doreen unerwartet. Leidenschaftlich, wie nur sie es konnte. Offenbar begann der Wein bei beiden seine Wirkung vollständig zu entfalten. Ihre kleinen, filigranen Finger streiften Rees Arm, bevor sie sich einen Weg über ihren Nacken in Richtung des wohlgeformten Hinterns bahnten. Doreen erwiderte diese Berührung, indem sie mit einer Hand sanft Ells Hose aufknöpfte. Ihre andere versank vollständig in die sich wieder aufrichtenden Naturlocken ihrer italienischen Schönheit.
„Als ich dich heute in der Praxis gesehen habe, dachte ich daran, wie schön es sein wird, dich heute zu liebkosen, an Stellen zu küssen, wo kein
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