Puppenfluch
sondern fuhr ungerührt auf das Tor zu.
Siri stieß einen langen, enttäuschten Fluch aus. Sie lief dem Mercedes hinterher, obwohl sie wusste, dass es sinnlos war. Das Tor war ja auf. Nur deshalb hatte sie das Schloss in der Hand gehabt. Andererseits – der Gedanke traf sie wie aus dem Nichts – das konnte Elena ja nicht wissen. Vielleicht ging sie immer noch davon aus, dass das Tor verschlossen war? Vielleicht stieg sie aus dem Auto, um aufzuschließen?
Siri biss die Zähne zusammen und versuchte, schneller zu laufen. Wo war Aron? Warum half er ihr nicht? Das Auto hielt vor dem Tor. Siri beschleunigte ihren Schritt, als plötzlich jemand vor dem Tor ins Scheinwerferlicht des Wagens trat. Aron! Seine Jacke war offen und sein T-Shirt blutbefleckt. Was hatte er vor?
Sie hörte Elenas Stimme deutlich über das leise Brummen des Mercedes hinweg.
»Hallo, Aron. Bist du so lieb und machst mir das Tor auf?«
Elena klang genau wie immer. In ihrer Stimme war keine Spur dessen zu hören, was gerade eben passiert war. In Siri krampfte sich alles zusammen.
»Nein!«, schrie Siri. »Mach nicht auf. Elena ist die Mörderin! Tu es nicht! Aron, tu es nicht!«
Aron blinzelte verwirrt ins Scheinwerferlicht.
So schnell sie konnte, kam Siri zum Auto gelaufen, und stürzte auf die Fahrertür zu. Aber Elena hatte die Scheibe schon wieder hochgefahren und saß unerreichbar im Inneren. Siri hämmerte mit den Fäusten gegen die Scheibe. Sie begegnete Elenas Blick und konnte den Hass darin sehen.
»Aron! Halt das Tor zu!«, rief Siri flehend. »Elena hat Yulia umgebracht! Mit einem Hammer! Und jetzt hat sie versucht, mich zu töten! Sie war es, die ... Ich war ihr auf der Spur ... Es war gar nicht Martin! Lass sie nicht wegfahren. Tu es nicht!«
Aron starrte ins Licht. Für einen Moment stand er vollkommen reglos da und in seinem Gesicht lag nichts als Verwunderung, Enttäuschung und Schmerz.
»Mach nicht auf!«, keuchte Siri. »Bitte, Aron! Lass sie nicht weg. Tu es für mich!«
Eine verächtliche Grimasse flog über Arons Gesicht.
Und dann öffnete er das Tor.
Mit einem Blitzstart fuhr der Mercedes los. Nur wenige Meter hinter dem Tor verschluckte ihn die Dunkelheit, noch einen Moment sah man das Glimmen der roten Rücklichter, dann waren auch sie verschwunden. Das Motorengeräusch erstarb.
Die Enttäuschung legte sich über Siri wie eine dicke, feuchte Wolldecke. Sie wusste nicht, was schlimmer war: dass Elena entkommen war oder dass Aron sie trotz allem hatte entkommen lassen. Sie sahen sich an, aber hier im Dunkeln konnte Siri Arons Augen nicht erkennen, konnte nicht einmal ahnen, was in ihm vorging.
Nur Minuten später rasten zwei Polizeiwagen auf das Gelände, Henriks Volvo direkt hinterher. Aus dem ersten Polizeiauto stolperte Kommissarin Björk und sah sich um.
»Wieder Siri«, stellte sie schnell fest. »Warum hast du nicht auf meine Mahnung gehört? Was ist hier los?«
»Es ist so viel ...«
Siris Stimme brach und ihre Schultern sackten nach unten.
»Warte mal, Siri. Ist das Vereinsheim offen?«
»Ja.«
»Dann gehen wir da jetzt zusammen rein und unterhalten uns drinnen. Ich nehme an, es gibt eine Kaffeemaschine?«
»Ja ...«
»Gut.«
Kommissarin Björk gab Anweisung für eine Straßensperre, sorgte dafür, dass der Hammer sichergestellt wurde und dass jemand im Vereinsheim Tee und Kaffee aufsetzte. Dann befragte sie Siri direkt im Büro. Henrik saß daneben und hörte sich entsetzt und mit weit aufgerissenen Augen an, was passiert war.
Aron wartete im Vereinsraum, aber Siri durfte nicht mit ihm sprechen. Kommissarin Björk wollte ihn zusammen mit Martin auf dem Polizeirevier vernehmen.
Als Siri aus dem Büro kam, saß Aron auf demselben Sofa, auf dem er auch bei ihrer ersten Begegnung gesessen hatte. Die Teetasse in seiner Hand zitterte ein wenig.
»Siri ...«
Er stand auf und suchte ihren Blick. Seine Augen sahen flehend aus. Für einen kurzen Moment blieb Siri stehen und betrachtete ihn, ohne ein Wort zu sagen. Dann wandte sie sich demonstrativ ab und ging durch die Tür.
18
»Siri! Du bist ja kaum wiederzuerkennen! Was hast du gemacht?«
Siri hob den Blick. Sie saß mit einem Lappen in der Hand auf der Bank vor dem Vereinsheim und putzte Zündkerzen. Ihre Hände waren ölverschmiert und ihre Wangen auch.
»Nichts«, antwortete sie kurz und widmete sich wieder ihren Zündkerzen.
»Doch, du hast was mit deinen Haaren gemacht«, sagte Torsten und musterte sie.
Selbst hier in der strahlenden
Weitere Kostenlose Bücher